In einer Parlamentskonferenz zum „Europäischen Semester“ wurden unterschiedliche Bewertungen zum Wirtschaftswachstum in der EU deutlich. Es ist fraglich, wie die „Europäische Säule sozialer Rechte" wirtschaftliche Unausgewogenheiten auswuchten könnte.

GD/AD – 02/2017

Neben viel „grundsätzlicher Übereinstimmung“, vorwiegend zur Methode, zeigten sich in der vom 30.01. bis 01.02.2017 in Brüssel durchgeführten Konferenz deutliche Unterschiede in der Bewertung speziell nationaler Situationen. Für die Kommission führte Kommissar Valdis Dombrovskis (Vize-Präsident und zuständig für Euro und sozialen Dialog) eine Bestandsaufnahme für 2016 durch und unterstrich die Bedeutung grenzüberschreitenden EU-Wachstums und produktivitätsfördernder Strukturreformen. Diese wären erforderlich, um Investitionen anzulocken und somit zu Wachstum und Einkommensverbesserungen beizutragen. Dombrovskis erwähnte mit einiger Sorge die wachsenden Ungleichheiten in den nationalen Volkswirtschaften. Es würde versucht, diese, soweit möglich, im Rahmen der „Europäischen Säule für soziale Rechte“ zu behandeln. 

Sein Kommissionskollege Pierre Moscovici, zuständig für Wirtschaft und Finanzangelegenheiten, sieht eine langsame Erholung, allerdings mit fehlenden Investitionen, ungleicher Entwicklung vor Ort und einem nur „mäßigen“ Durchschnittswachstum von 1,5%. Moscovici mahnte zur abwartenden Vorsicht bei der Bewertung der langfristigen Wirksamkeit für den EU-Wirtschaftsraum. Nach wie vor gäbe es Unsicherheiten und auffällige Unausgewogenheit zwischen den nationalen Volkswirtschaften. Er unterstrich jedoch die Bedeutung des „Stabilitäts- und Wachstumspaktes“ – einschließlich dessen Bestimmungen zur „einnahmeorientierten Ausgabenpolitik“ für wirtschaftlich schwache Mitgliedstaaten. 

Der schwedische Abgeordnete Gunnar Hökmark (EVP/SE), seinerseits Berichterstatter zum Europäischen Semester, erkannte Wachstumsansätze, jedoch seien diese zu schwach und zu langsam. Die Arbeitslosigkeit sei zu hoch. Zu hohe Schulden und Defizite seien bei der Suche nach Investitionen und Wachstum hinderlich. Hökmark betonte die auffällige divergierende Entwicklung zwischen den EU-Volkswirtschaften. Die Steuern in der EU seien durchschnittlich 10 bis 15 Prozent höher als in anderen Wirtschaftsräumen und dies sei problematisch. Ein griechischer Parlamentarier verwies demgegenüber auf fehlendes EU-Engagement zum Abbau „sozialer Ungerechtigkeiten“. Dadurch würde der Euro-Skeptizismus gefördert. 

Auch wenn es statistisch nützlich sein mag, sagt das Durchschnittswachstum „der EU“ in der Tat wenig über den jeweiligen volkswirtschaftlichen Zustand der Mitgliedstaaten aus. Wie Beobachter meinen, helfen dabei Wachstumsraten von 1,5% am Arbeitsmarkt kaum, nachweisbare Verbesserungen dauerhaft vorweisen zu können. Derweil steigen die Schulden in vielen Mitgliedstaaten, darunter – etwa in Italien – solchen, denen infolge ihrer Größe mit den bisherigen Rettungsmechanismen nicht zu helfen wäre, gerieten sie nach Art Griechenlands ins Trudeln. Die Kettenreaktion aus weiterhin ansteigender Überschuldung, fallender oder minimal wachsender Produktivität und nicht eingehaltenen finanzpolitischen Zusagen führen demnach zu einer massiven Gefährdung, ja Beseitigung der örtlich verfügbaren Systeme der sozialen Sicherheit und einem Abbau von der Infrastruktur verbessernden staatlichen Investitionen.  

Zweifelsohne erleben viele Menschen in Griechenland und an anderen EU-Standorten sozial äußerst bittere Zeiten mit enormen sozialwirtschaftlichen Herausforderungen. Diesen ist jedoch kaum mit einer Politik inflationärer und vager wirtschaftlicher Versprechungen beizukommen, die das Ziel eines Abbaus der Verschuldung aus den Augen verliert oder einfach ableugnet.