Wie kann sich die EU27 nach dem Austritt Großbritanniens weiterentwickeln? EU-Kommission stellt verschiedene Optionen zur Diskussion.

MS – 03/2017

Spätestens nach dem Brexit hat sich deutlich offenbart, dass die europäische Einigung in einer Krise steckt. Die Europäische Kommission möchte deswegen nach vorne schauen und Lösungen finden, wie sich die EU27 nach dem Austritt Großbritanniens weiterentwickeln kann. 

 

In einem Weißbuch hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fünf Szenarien skizziert, wo die Union 2025 stehen könnte – je nachdem, welchen Kurs sie einschlägt. Das am 1. März 2017 vorgestellte Papier stellt jeweils Vor- und Nachteile des jeweiligen Modells zur Diskussion. Die Szenarien würden sich "weder gegenseitig ausschließen, noch erschöpfend" sein. Juncker verspricht sich von dem Weißbuch eine einen offenen Diskussionsprozess und hofft auf eine "ehrliche und umfassende Debatte" mit den Mitgliedstaaten. 

 

Szenario 1: „Weiter wie bisher“

Die 27 Mitgliedstaaten konzentrieren sich auf Reformen, Jobs, Wachstum und Investitionen. Bei der Währungsunion wären nur "schrittweise Fortschritte" zu erwarten, während die Erfahrungen mit der Flüchtlingskrise, die Einheit der EU27 schnell "bei ernsthaften Meinungsverschiedenheiten erneut auf die Probe stellen werden". Die Sozial- und Gesundheitspolitik würde damit weiterhin in der geteilten Kompetenz liegen.  

Szenario 2: „Schwerpunkt Binnenmarkt“

Der Binnenmarkt wird Hauptziel der EU, weil die Mitgliedstaaten sich nicht auf mehr politische Integration in anderen Bereichen verständigen können. Der Marktzugang von Medizinprodukten und Arzneimitteln sowie sicheren und gesundheitsgerechten Arbeitsmitteln wäre damit weiterhin Bestandteil der EU; nicht jedoch die Sozialpolitik oder die öffentliche Gesundheit.  

Szenario 3: „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“

Eine "Koalition der Starken" könnte in bestimmten Bereichen wie der Sozial- und Gesundheitspolitik voranschreiten. Als Problem sieht die Kommission eine Entscheidungsfindung "auf verschiedenen Ebenen", welche Europa noch undurchschaubarer machen würde. Die Rechte der EU-Bürger würden davon abhängen, welcher Gruppe ihre Staaten angehörten, bspw. beim Zugang zu hochpreisigen Arzneimitteln. 

Szenario 4: „Weniger, aber effizienter“

Die Mitgliedstaaten konzentrieren sich auf weniger Bereiche, die einen Mehrwert bieten könnten, wie die Förderung technologischer Innovationen, Einwanderung und Grenzschutz. Dafür würde sich die EU aus Bereichen wie Beschäftigung, Sozialpolitik und Gesundheit zurückziehen. Diese Felder wären dann wieder in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Aus Sicht der Kommission kann dies bedeuten, dass die EU in den noch bei ihr liegenden Bereichen schneller handeln kann.  

Szenario 5: „Viel mehr gemeinsames Handeln“

Die Mitgliedstaaten und die EU verständigen sich darauf, "auf allen Ebenen mehr Macht, Ressourcen und Entscheidungsfindung zu teilen". Das würde eine umfassende Erweiterung der Zusammenarbeit auch in Politikbereichen wie Soziales und Gesundheit bedeuten. Hier hätte die EU dann ihr altes Problem: Brüssel würde zu viel Macht an sich ziehen, ohne demokratisch legitimiert zu sein. Zudem sehen die nationalen Parlamente sich als die besseren Gesetzgeber, wenn es um die Ausgestaltung der Sozial- und Gesundheitssysteme geht.  

Weitere Schritte...

Junckers Diskussionspapier soll in die Vorbereitung des Sondergipfels zum 60-jährigen Jubiläum der Römischen Verträge einfließen. Bei dem Treffen am 25. März in Rom wollen die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten ohne Großbritannien eine Erklärung über die Ausrichtung der EU geben. Bis zum Jahresende wollen sich die Staats- und Regierungschefs auf ein gemeinsames Vorgehen für die nächsten 10 Jahre und damit auch vor der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2019 einigen.  

 

https://ec.europa.eu/commission/news/commission-presents-white-paper-future-europe_de