Der schwedische Wohlfahrtsstaat durchlebt derzeit eine existentielle Krise, die sich besonders in der rasant fallenden Versorgungsqualität im steuerfinanzierten und staatsgetragenen Gesundheitswesen nachweisen lässt.

GD/AD – 09/2017

Während des Sommers sind bis zu 30 Prozent der stationären Bettenkapazität stillgelegt – weil das Personal urlaubt.  

 

Wie die Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ meldet, „schlägt der Personalmangel alle Rekorde“. Die Patienten und deren Heilungschancen seien davon unmittelbar und ernsthaft betroffen. Die Bereiche „Geburtsmedizin“, „allgemeine Chirurgie“ und „Psychiatrie“ seien demnach in extremer Weise sowohl durch Personalmangel im ärztlichen und nicht-ärztlichen Bereich, als auch durch administrativ verordneten Kapazitätsabbau betroffen. So sei die Bettenkapazität in den staatlichen Krankenhäusern während der vergangenen acht Jahre um rund zehn Prozent auf 18.800 Betten gesunken. Große Kliniken – etwa das Sahlgrenska Universitätshospital in Göteborg – sah sich infolge administrativer Fehlsteuerungen“ nach Auffassung der Personalvertretung gezwungen, rund 30 Prozent der geplanten Eingriffe und Versorgungsleistungen zurückzustellen. 

In den entfernt gelegenen und dünn bevölkerten nordschwedischen Städten Umea, Lycksele oder Skelleftea, ohnehin gekennzeichnet durch strukturelle Probleme eigener Art, würden während des Sommers rund 30 Prozent der Bettenkapazität einfach stillgelegt. Anders sei das Recht der Beschäftigten auf Jahresurlaub – in einer klimatisch zumutbaren Jahreszeit – nicht zu verwirklichen. Nahezu alle versorgungsintensiven Spitalbereiche seien demnach landesweit betroffen: auch das südschwedische Skane offenbare dramatische Engpässe in der kardiologischen Versorgung. Das Zentralkrankenhaus in Ystad etwa müsse Intensivpatienten der kardiologischen Versorgung unüberwacht lassen, weil das erforderliche Personal auch durch Internetrekrutierungsaktionen und Zeitzuschläge nicht zu gewinnen war. 

Personal wandert nach Norwegen ab

Seit Jahren werden die staatlichen Kliniken – wie das gesamte in Kommunalregie organisierte soziale Gesundheitswesen – nach Auffassung vieler Systembeteiligter „politisch“ gesteuert. Eine adäquate Rücksichtnahme auf die Arbeitspraxis der in Arzt- und Pflegeberufen Beschäftigten gäbe es nur unzureichend. Entsprechend wandere Personal vielerorts ab – Norwegen böte bei durchaus ähnlichen Organisationsstrukturen zumindest den Vorteil nahezu unbegrenzter finanzieller Mittel und wesentlich besserer Vergütungen. 

 

Für die schwedische Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen bedeutet dies knapp ein Jahr vor der Wahl eine kaum willkommene öffentliche Diskussion.