Es lohnt sich, Teil einer Fraktion zu sein.

HS – 07/2024

Für die Gründung einer Fraktion im Europäischen Parlament braucht es mindestens 23 Abgeordnete aus sieben Ländern. Fraktionen können jederzeit gebildet werden und Abgeordnete können die Fraktion jederzeit wechseln. Doch vor der konstituierenden Sitzung des Europäischen Parlaments – für die 10. Legislaturperiode findet diese vom 16. bis 19. Juli statt – formieren sich die meisten Fraktionen und die meisten Abgeordneten schließen sich einer von ihnen an. Das hat damit zu tun, dass Abgeordnete als Mitglied einer Fraktion bedeutend mehr Einfluss nehmen können.

Fraktionen in der 10. Legislaturperiode

In der 9. Legislaturperiode waren zuletzt 63 Abgeordnete fraktionslos, darunter die AfD-Abgeordneten nach ihrem Rauswurf aus der ID-Fraktion. Nun haben die neu gewählten AfD-Abgeordneten mit Verbündeten die neue Fraktion „Europa der souveränen Nationen“ gegründet. Auch eine zweite rechtspopulistische Fraktion ist neu, die „Patrioten für Europa“. Sie ersetzt weitgehend die inzwischen aufgelöste Fraktion ID. Die übrigen Fraktionen der 9. Legislaturperiode bleiben bestehen: EVP, S&D, EKR, Renew, Grüne/EFA und Linke. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat bisher keine Fraktion gefunden. Zuvor war die Gründung einer neuen Fraktion zusammen mit der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung gescheitert.

Politischer Einfluss durch wichtige Posten

Eine Fraktionszugehörigkeit bedeutet vor allem eine Steigerung der politischen Einflussmöglichkeiten im Europäischen Parlament. So werden die Posten der 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Europäischen Parlaments, der fünf Quästoren sowie der (Vize-) Vorsitzenden der Ausschüsse je nach Größe ausschließlich an Fraktionsmitglieder vergeben. Hinsichtlich der legislativen Arbeit sind vor allem die Vorsitze in Ausschüssen interessant. Ausschussvorsitzende setzen die Agenda und spielen eine leitende Rolle im Gesetzgebungsprozess.

Mitsprachemöglichkeiten durch die COP

Außerdem haben Fraktionslose keine Mitsprachemöglichkeiten in der mächtigen Konferenz der Präsidenten (COP), der neben der Parlamentspräsidentin die Fraktionsvorsitzenden angehören und die für die Organisation der Abläufe und der Gesetzgebung verantwortlich ist. Zwar darf eine Vertreterin oder ein Vertreter der Fraktionslosen an den Sitzungen der COP teilnehmen, allerdings nur mit Beobachterstatus. Die COP entscheidet unter anderem, was im Plenum diskutiert wird, teilt die Redezeit während der Plenardebatten zu und schlägt zu Anfang einer Legislaturperiode die Zusammensetzung der Ausschüsse vor.

Redezeit im Plenum und in den Ausschüssen

Die Redezeit wird den Fraktionen im Plenum je nach Größe zugeteilt. Auch fraktionslose Abgeordnete bekommen Redezeit, allerdings deutlich weniger. Sie werden dabei wie eine Fraktion behandelt und treffen untereinander Absprachen, wie sie die Redezeit aufteilen. In den Ausschüssen dagegen sind sie von der Gunst der oder des Ausschussvorsitzenden abhängig: Diese können entscheiden, ob sie Fraktionslosen überhaupt Redezeit zugestehen. Was die legislative Arbeit betrifft, können Fraktionslose einen Bericht bekommen, dies geschieht aber sehr selten, etwa wenn niemand sonst Interesse hat. Eine Schattenberichterstattung können sie nicht übernehmen.

Finanzielle Mittel

Darüber hinaus bringt eine Fraktionszugehörigkeit mehr Geld für die politische Arbeit der Abgeordneten mit sich. Die Fraktionen bekommen von der Parlamentsverwaltung pro Mitglied finanzielle Mittel zugewiesen, um die Fraktionsarbeit zu finanzieren. Dazu zählt die Unterhaltung des Sekretariats und die Durchführung von Kampagnen. Auch fraktionslose Abgeordnete bekommen Geld, im Schnitt aber nur etwas mehr als die Hälfte. In einer zweiten Verteilungsrunde wird an die Fraktionen nochmal Geld nach Größe ausgeschüttet – dabei bekommen die kleineren mehr als die großen.