Lessons to learn from Estonia.

MS – 11/2017

Unter dem Titel „Gesundheit in der digitalen Gesellschaft - die digitale Gesellschaft für Gesundheit“ hat die ehealth Konferenz in Tallinn im Oktober 2017 unter Federführung der estnischen Ratspräsidentschaft die digitale europäische Agenda vorangebracht. Aber lassen sich die Erfahrungen einzelner Mitgliedstaaten so einfach auf andere Mitglieder übertragen? 

Was die Esten anders machen

Estland ist ein kleiner EU- und Euro-Staat. Aber an Selbstbewusstsein mangelt es dem erfolgreich vernetzten und digitalisierten „E-Estonia“ nicht. Estland will seinen 26 EU-Partnern Lust am “digitalen Lebensstil” vermitteln. In ihrer Ansprache hat die Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid auf den Punkt gebracht, was eine digitale Gesellschaft braucht: Vertrauen in die Technologie, digitale Hygiene und freier Zugang zu allen persönlichen Gesundheitsdaten. 

 

Während in Deutschland die elektronische Gesundheitskarte nicht recht vorankommt, verfügt Estland über eine große Bandbreite an e-Anwendungen: e-Pass, e-Verschreibung und e-Wahl. Es betont, dass es ein Vorteil war, die Digitalisierung „from scratch“, also bei null zu starten, anstatt halbwegs etablierte Modelle zu erneuern. Hierfür boten sich in Estland mit dem Systemwechsel im Jahre 1991 in einer neuen, dezentral organisierten Gesellschaft besonders günstige Rahmenbedingungen an, z.B. Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen.  

 

In Estland haben Bürger digitalen Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten, auch auf die ihrer Kinder. Die Zugriffe von einer staatlichen Behörde oder Ärzten auf digitale Akten werden registriert und der Bürger wird benachrichtigt, wenn seine Daten abgerufen wurden. Bei „analogen“ Krankenakten auf Papier bekomme man nicht mit, wer seine Daten liest. Zudem plant Estland, bilateral mit Finnland die Tür für einen gemeinsamen grenzüberschreitenden Datenverbund im Jahr 2018 zu öffnen.  

 

Als Rückgrat ihrer „digitalen Gesellschaft“ bezeichnen die Esten ihre digitale Identifikation und die digitale Bürgerkarte. Die ID-Karte kann bei vielen innovativen sowie öffentlichen und privaten e-Diensten eingesetzt werden: als Gesundheitskarte, Führerschein und Payback-Karte. 

 

Darüber hinaus vertraut die estnische Gesellschaft Technologien. „Wir haben das Vertrauen erreicht, in dem wir die moderne Technologie in unserem gesamten Alltag nutzen, auch im Gesundheitswesen“, so die estnischen Minister.  

Freiheit der EU: „Freier Verkehr von Daten“

Dreh- und Angelpunkt ist bei diesem Thema der sichere und freie Datenverkehr. Heutzutage reisen Menschen und Waren unbeschwerter durch die Europäische Union als ihre Daten. Diskutiert wurde daher die digitale Initiative Estlands (The 5th Freedom), ob Datenfreizügigkeit zur fünften Grundfreiheit der Europäischen Union erklärt werden soll. Wenn sich Menschen, Güter, Dienstleistungen und Kapital ungehindert über Grenzen hinwegbewegen können, muss dies dann nicht auch für Informationen gelten? 

Digitalisierung der Gesundheits- und Sozialdienste im europäischen Aufwind

Der Reifegrad beim Einsatz digitaler Gesundheitsdienste unterscheidet sich zwischen den Mitgliedstaaten enorm, auch aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen, nationaler Datenverarbeitung, und wegen des realen Versorgungsniveaus. Hinzukommt die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten untereinander, ob „mehr“ oder „weniger“ Europa bei der Digitalisierung ihrer nationalen Gesundheitsdienste notwendig ist. So forderte Österreich weniger freiwillige Zusammenarbeit und stattdessen mehr Zugeständnisse unter den Mitgliedstaaten. Schweden sieht die Digitalisierung der Gesundheitsdienste als Wettbewerb und will bis zum Jahr 2025 das beste eHealth System haben.  

 

Einigkeit herrschte jedoch, dass die Qualität der Daten, die Nutzung und die Verwertung, im Gesundheitswesen hinter den Möglichkeiten grenzüberschreitender digitaler Gesundheitsdienste zurückbleiben. 

Wie geht es weiter?

Bis Ende 2017 werden unter der estnischen Ratspräsidentschaft Schlussfolgerungen zu „Health in the Digital Society - making progress in data-driven innovation in the field of health“ vorgelegt.  

 

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