Angemessenheitsbericht wirft Licht und Schatten auf die nationalen Rentensysteme.

Dr.WSW – 05/2018

Der „Angemessenheitsbericht“ der Europäischen Kommission liefert in seinem Ersten Teil zahlreiche vergleichende Betrachtungen. Sie werden „unterfüttert“ mit dem Zweiten Teil, der die „Länderprofile“ enthält. Diese erläutern die Grundzüge der jeweiligen Alterssicherungssysteme, Reformtrends sowie die Angemessenheit und skizzieren schließlich den Reformbedarf. 

Einkommensersatzrate

Schon bei der empirischen und aggregierten Einkommensersatzrate liegt Deutschland im hinteren Drittel. Deutlich auffälliger werden die – tatsächlichen oder behaupteten – Unterschiede beim Vergleich der aktuellen, individuellen, wenn auch hypothetischen Ersatzraten. Hier liegt Deutschland mit 56,2% weit abgeschlagen am hinteren Rand und wird nur noch von einigen kleineren Mitgliedstaaten unterboten. Österreich, wegen der Ähnlichkeit seines Rentensystems mit dem deutschen immer wieder als eine Art „Referenz“ in den Raum gestellt, liegt mit 86,1% deutlich darüber, ebenso der Nachbar Frankreich mit 76,3% oder gar die Niederlande mit 102%, was dort allerdings auf die starke Rolle der zweiten Säule zurückzuführen ist.  

 

Ein Grund hierfür mag die größere umverteilende des deutschen Renten- und Steuersystems zugunsten niedriger Alterseinkünfte sein – verglichen mit den anderen genannten Ländern (vgl. Fig. 32, S. 53 des Berichts). Freilich müsste man ferner auch sehr sorgfältig die Kosten der jeweiligen Systeme vergleichen. Dabei stellt sich heraus, dass diese, egal wie sie gemessen werden, in den genannten Ländern durchweg höher sind als in Deutschland. Besser steht Deutschland dann – jedenfalls auf dem Papier – bei der langfristigen Projektion der Ersatzraten da. Es gehört zu den wenigen Ländern, in denen diese steigen wird. Dies liegt allerdings nicht an der gesetzlichen Säule – dort wird eine Senkung des Niveaus um fast 5 Prozentpunkte projiziert – sondern an den angeblich dramatischen Erfolgen der ergänzenden Sicherung, die das Niveau dann um mehr als 10 Prozentpunkte steigen lassen soll, was nur noch von Dänemark übertroffen würde.  

 

Dieses gute Ergebnis muss vor dem Hintergrund einiger statistischer Besonderheiten beleuchtet werden, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Der Leser muss sich bis zum Länderprofil „Deutschland“ im zweiten Teil vorarbeiten, um zu erfahren, dass der Anstieg der Ersatzrate eher ein statistisches Phänomen ist. Eine große Rolle spielen die Annahmen zum künftigen Volumen des Abschlusses von „Riester-Renten“ und ihren Erträgen. Die Bunderegierung selbst rechnet damit, dass die Ersatzrate in Zukunft einigermaßen stabil bleiben wird – unter Berücksichtigung aller drei Säulen. In der Vergangenheit ist es jedenfalls nicht gelungen, das fallende Niveau der gesetzlichen Renten durch Zuwächse in der zweiten und dritten Säule aufzufangen. 

Riester-Rente

Die Riester-Rente wird im Übrigen im Bericht durchaus positiv gewürdigt. Sie habe sich in Verbindung mit den Zulagen als effektives Mittel erwiesen, um insbesondere Bezieher niedriger Einkünfte und Familien mit Kindern zum Abschluss zu bewegen. 

„Gender Pension Gap“ und Arbeitsdauer

Beim „Gender Pension Gap“ liegt Deutschland auf den letzten Plätzen. Die Deutschen arbeiten im Vergleich zu ihren europäischen Mitbürgern überdurchschnittlich lange (38,1 Jahre statt 35,6 im europäischen Durchschnitt). Dies schlägt sich dann auch im Verhältnis zwischen Rentendauer und Arbeitsjahren nieder: Es beträgt 48% im europäischen Durchschnitt, dagegen 51% in Deutschland. 

Reformbedarf

Reformbedarf besteht, so der Bericht, mit Blick auf den Ausbau der ergänzenden Alterssicherung sowie der Verbesserung der Absicherung von Frauen und Selbständigen. Die bessere Absicherung der Frauen soll vor allem durch die Förderung einer verstärkten Erwerbsbeteiligung auf den Weg gebracht werden, etwa durch den Abbau von Abgaben- und Steuerprivilegien für Mini-Jobs.