Versicherte und Beitragszahler in der Sozialversicherung profitieren von einem modernisierten europäischen Rechtsrahmen für die Produkthaftung.

AD – 05/2018

Die Richtlinie 85/374/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte soll den Schutz der Gesundheit und des Eigentums der Verbraucher, den freien Warenverkehr und den unverfälschten Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern im Binnenmarkt gewährleisten. Neben dieser allgemeinen Richtlinie bestehen außerdem spezielle Haftungsvorschriften, wie etwa für Arzneimittel; jedoch wird darauf an dieser Stelle, d.h. im nachfolgenden Text, nicht eingegangen. 

Die Richtlinie legt den Grundsatz der verschuldensunabhängigen Haftung der europäischen Hersteller fest. Wenn ein Verbraucher durch ein fehlerhaftes Produkt Schaden erleidet, so haftet der Hersteller — unter Umständen ohne eigene Fahrlässigkeit bzw. ohne eigenes Verschulden. Die Richtlinie betrifft Schäden, die durch Tod oder Körperverletzungen verursacht wurden bzw. die an Privateigentum verursacht werden. 

Die EU-Kommission möchte einen positiven und verlässlichen Rahmen für die Produkthaftung schaffen, der Innovation, Beschäftigung und Wachstum unterstützt und gleichzeitig den Verbraucherschutz und die Sicherheit der Menschen fördert. Neue technologische Entwicklungen wie das Internet der Dinge oder autonome Systeme müssen berücksichtigt werden. Deshalb soll die Richtlinie modernisiert werden. Mit ihrem Bericht COM(2018) 246 final geht sie ausführlich auf ihr Vorhaben ein. 

Beweislast

Die Beweislast liegt beim Geschädigten, d.h. er muss den vorhandenen Schaden, den Fehler am Produkt und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden nachweisen. Allerdings muss der Geschädigte nicht die Fahrlässigkeit oder das Verschulden des Herstellers nachweisen. 

 

Die in 2017 durchgeführte Anhörung hat ergeben, dass der Großteil der Behörden und der Vertreter der Zivilgesellschaft die Beweislast als Belastung für die Verbraucher betrachtet. Fast alle Verbraucherverbände sehen darin das häufigste Hindernis für den Erhalt von Schadensersatz, insbesondere im Hinblick auf neue technologische Entwicklungen und eine steigende Produktkomplexität. 

 

Hingegen sehen nur wenige Versicherer die Beweislast in der Praxis als schwierig an. Die meisten Unternehmen sind der Ansicht, dass eine Beweislastumkehr oder gar die Befreiung von der Beweislast nachteilig wäre: Die Beweislast des Geschädigten bilde die Grundlage für den Anspruch und eine Befreiung hätte zur Folge, dass die Richtlinie die verschiedenen Interessen nicht mehr ausgewogen berücksichtige. 

Eine ausführliche Darstellung und Bewertung der Anhörungsergebnisse können dem zusammenfassenden Bericht der Kommissionsdienststellen vom 7. Mai 2018 entnommen werden. 

Wie geht es weiter?

Die EU-Kommission hat eine „Sachverständigengruppe für die Haftung“, die in zwei Formationen zusammentritt, gebildet:  

 

Die erste Formation setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der Industrie, der Verbraucherorganisationen, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft zusammen und wird die Kommission bei der Auslegung, Anwendung und möglichen Aktualisierung der Richtlinie unterstützen; dabei sind Entwicklungen in der EU und der nationalen Rechtsprechung, der Auswirkungen neuer und neu entstehender Technologien und sonstiger Entwicklungen im Bereich der Produkthaftung zu berücksichtigen.  

 

Die zweite Formation, die sich ausschließlich aus unabhängigen Hochschulfachleuten und Praktikern zusammensetzt, wird prüfen, ob die Haftungsregelung insgesamt geeignet ist, die Verbreitung neuer Technologien durch Förderung der Investitionsstabilität und des Verbrauchervertrauens zu erleichtern. 

Des weiteren will die EU-Kommission Mitte 2019 Leitlinien für die Richtlinie herausgeben und einen Bericht über die weiter reichenden Auswirkungen sowie eventuelle Lücken und Orientierungshilfen für den Haftungs- und Sicherheitsrahmen für die künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und die Robotik veröffentlichen. Erforderlichenfalls wird die Kommission bestimmte Aspekte der Richtlinie, wie die Begriffe „Fehler“, „Schaden“, „Produkt“ und „Hersteller“, aktualisieren.  

 

Der allgemeine Grundsatz der verschuldensunabhängigen Haftung werde allerdings unberührt bleiben, so die Kommission. 

Beitragszahler zur deutschen Sozialversicherung profitieren

Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Für den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden trägt der Geschädigte die Beweislast. Erbringen deutsche Sozialversicherungsträger in diesem Zusammenhang Leistungen an den Geschädigten, geht der Schadenersatzanspruch insoweit auf sie (die Sozialversicherungsträger) gem. § 116 SGB X über. Die auf diese Weise erzielten Einnahmen der Sozialversicherungsträger tragen dazu bei, die Beitragslasten zur deutschen Sozialversicherung zu stabilisieren. In anderen EU-Mitgliedstaaten gibt es ähnliche Regelungen.