Die neue italienische Regierung möchte die Rentenreform der Vorgängerregierung rückgängig machen, den Mindestlohn und das bedingungslose Grundeinkommen einführen sowie das Steuersystem vereinfachen.

GD/AD – 06/2018

Nach langen Wochen eines Zick-Zack-Kurses haben es die „Fünf-Sterne-Bewegung“ und die „Lega“ (vormals „Lega Nord“ mit dem Ziel der separatistischen Abtrennung des italienischen Nordens vom Gesamtstaat) geschafft, eine neue Regierung – im sozusagen zweiten Anlauf – zu bilden. Zuvor hatte Staatspräsident Sergio Mattarella im ersten Anlauf von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Kabinettsliste des als Ministerpräsident vorgesehen gewesenen Carlo Cottarelli abzulehnen, der daraufhin sein Amt nicht antrat. 

 

Stattdessen ist seit dem 1. Juni 2018 Guiseppe Conte neuer italienischer Ministerpräsident. Conte ist Privatrechtsprofessor an den Universitäten Florenz und LUISS in Rom. Er besitzt in Rom eine Anwaltskanzlei und ist als Rechtsanwalt an der Corte Suprema di Cassazione, dem höchsten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit Italiens, zugelassen. 

In der Regierung Conte haben beide Parteichefs Schlüsselpositionen inne: Luigi DiMaio von den Fünf Sternen besetzt das Ministerium für Arbeit, Soziales und Wirtschaftliche Entwicklung sowie Matteo Salvini von der Lega das Innenressort; beide sind zugleich Vize-Ministerpräsident. DiMaios Streben reicht dabei weit in den weitflächig notleidenden und unterfinanzierten Sozialsektor Italiens hinein. Eine Streichung der Rentenreform der Vorgängerregierung steht ebenso im Programm wie die Einführung des Mindestlohnes und als besonderes Wahlversprechen das bedingungslose Grundeinkommen in Höhe von 780 EUR/Monat. 

Minister für Wirtschaft und Finanzen ist Giovanni Tria. Er ist, wie Medien übereinstimmend berichten, Anhänger einer sogenannten „defizitfinanzierten Fiskalpolitik“. Er wünscht sich eine „koordinierte und kraftvolle Fiskal- und Geldpolitik auf europäischer Ebene“, mit anderen Worten einen „Konjunkturimpuls“ durch massenweise Bereitstellung von Investitionsmitteln. Immerhin hat er nach der „Welt“ die EZB darüber zum Nachdenken aufgefordert, ob es nicht sinnvoll wäre, die aufgekauften Schuldtitel den Schuldnerstaaten gleich komplett zu erlassen.  

 

Nach Trias Vorstellungen könne man hierbei damit beginnen, sogenannte „Anleihen zur Finanzierung spezieller Strukturinvestitionen“ ausgeben zu lassen, deren Endfälligkeit dann wohl der „Sankt Nimmerleinstag“ wäre. Finanzwissenschaftlich formuliert heißt dies bei ihm „das Tabu der Schuldenmonetarisierung“ zu durchbrechen und den „klassischen Sparkurs à la Schäuble“ endgültig durch „Geldvermehrung“ zu verlassen. 

Der Gedanke, dass auch nach wie vor überschuldeten Staaten im Wege von neu zu eröffnenden Sonderverschuldungsspielräumen jenseits aller Sparverabredungen eine Handlungsfreiheit gegeben werden soll, die sie fiskalisch nicht mehr haben, ist so neu nicht und findet sich in anderer Form und anderen Wendungen auch in Macrons Vorstellungen einer „kraftvoll“ handelnden Eurozone. Fremdfinanzierung als Kompensation für essentielle wirtschaftspolitische Fehler kann aus der Rechtsgrundlage des Euro kaum abgeleitet werden. Wären Zukunftsinvestitionen „rückzahlungsfrei“, müsste dies wohl auch für Soziallasten gelten.