Trotz des Wirtschaftswachstums verleiben große soziale Fragen. Eine verstetigt hohe Arbeitslosigkeit und ein überfordertes Sozialsystem sind nicht folgenlos für die spanische Gesellschaft.

GD – 06/2018

Spaniens neuer Ministerpräsident, der Sozialist Pedro Sanchez, konnte sich im Parlament bei der Durchführung des Misstrauensvotums auf eine Mehrheit von 180 der 350 Abgeordneten stützen. Bei der künftigen Regierungsarbeit wird er hingegen mit wesentlich weniger Unterstützern auskommen müssen. Die ihr angehörenden Parteien verfügen ihrerseits lediglich über 84 der 350 Parlamentssitze und sind somit fallweise auf Unterstützung anderer Gruppen, hier besonders der regionalen Nationalisten im Baskenland und in Katalonien, angewiesen. Eine Koalition mit der populistischen Podemos-Bewegung soll es nicht geben, obwohl diese dem Regierungslager zusätzliche 71 Mandate im Parlament mitgebracht hätte. 

Pedro Sanchez habe sich demnach für eine Version entschieden, die extreme euro- und europakritische Kräfte nicht miteinschließt. Es gibt nach Meinung von Beobachtern große Unterschiede zur Lage in Italien, dennoch könnte der von Sanchez propagierte neue Kurs einer „Austeritätspolitik mit menschlichem Antlitz“ für erste Aufweichungstendenzen der spanischen Finanzpolitik sorgen. Die viel diskutierte „Neuordnung Eurozonen-Europas“, ja die Idee einer „Neugründung“, könnte die Schlüsselfragen nach einer höheren Vergemeinschaftung bestimmter Lasten in den Vordergrund spielen.  

Trotz gerade in jüngster Zeit auffälligen spanischen Wirtschaftswachstums verleiben große soziale Fragen. Eine verstetigt hohe Arbeitslosigkeit, ein überfordertes Sozialsystem und die als Folge der regionalen Abspaltungstendenzen gestiegene Ungewissheit sind auch investitionstechnisch nicht folgenlos für die spanische Gesellschaft geblieben. 

Die nunmehr eingetretene Situation einer stark instabilen Regierungsbildung könnte zudem auf baldige Neuwahlen deuten, deren Ergebnis seinerseits wieder Fragen aufwerfen dürfte. Derzeit gelten sie als bis 2020 durchzuführen. Minderheitsregierungen haben es, nach Meinung von Experten, in Zeiten elementarer Konflikte und breiter Personenkreise, die seit Jahren sozialpolitisch enttäuscht wurden, besonders schwer, einen realitätskonformen Kurs beizubehalten, ohne vorzeitig zu scheitern.