Neue Studie formuliert Eckpunkte für die arbeits- und sozialrechtliche Behandlung.

Dr. WSW – 09/2018

Die im linken Spektrum angesiedelte „Foundation for European Progressive Studies“ hat in Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen eine bemerkenswerte, aber nur auf englisch verfügbare Studie herausgegeben unter dem Titel „Work in the European Gig-Economy“. Autorin ist u.a. die britische Professorin Ursula Huws, die vor kurzem die Gelegenheit hatte, ihre Forschungsergebnisse vor einem Gremium des Europäischen Parlaments vorzustellen. Ko-finanziert wurde das Projekt unter anderem von den deutschen Gewerkschaften ver.di und IG Metall. 

 

In dem Bericht geht es vor allem um das Ausmaß von „Crowd Work“, die Arbeitsbedingungen, das erzielte Einkommen, den Beschäftigungsstatus und die Motivation der Arbeiter, in diesem Segment des Arbeitsmarkts tätig zu werden. Obwohl die Autoren einräumen, dass der Forschungsansatz dem Versuch gleichkommt, „Gelee an die Wand zu nageln“, wagen sie auf der Grundlage ihrer Erhebungen Schätzungen und Hochrechnungen. Das dabei ermittelte Volumen von Plattformarbeit erscheint erst einmal recht beeindruckend: zwischen 9% in Deutschland und 22% in Italien. Dies weicht auffallend von den sonst üblichen Schätzungen einer Beteiligung von ein bis fünf Prozent der Erwerbsbevölkerung ab. 

 

Allerdings bezog sich die Frage der Autoren auf alle die Personen, die irgendwann einmal in der Vergangenheit Plattformarbeit ausgeübt hatten. Diese Zahl weicht naturgemäß von der Menge derjenigen ab, die aktuell oder im Lauf eines Kalenderjahres eine entsprechende Tätigkeit ausüben. Bemerkenswert sind die Schätzungen zum Anteil derjenigen, die über Plattformarbeit zumindest vorübergehend mehr als die Hälfte des Gesamteinkommens bezogen haben. Dieser Anteil wird für Deutschland auf immerhin fast 1,5 Millionen Menschen geschätzt. 

Wie soll der Sozialstaat mit den neuen Formen Plattform-organisierter Arbeit umgehen? Die wissenschaftliche und sozialpolitische Diskussion fordert in Teilen die Schaffung eines neuen Status oder neuer Beschäftigungstypen – irgendwo zwischen Selbständigen und abhängig Beschäftigten. Teilweise sollen sogar spezielle Regeln geschaffen werden, die den Besonderheiten gezielt der Plattform-Arbeit gerecht werden. Diesem Ansatz erteilen die Autoren der Studie in seltener Deutlichkeit eine Absage. Zu groß sei das Risiko, dass neuen Geschäftsmodellen unter Reduzierung des Sozialschutzes der Weg geebnet werde. Stattdessen empfiehlt die Studie, den Begriff der Selbständigkeit (in Abgrenzung zu unselbständiger Tätigkeit) zu schärfen und ggfs. neu zu justieren, vor allem mit Blick auf das „Subordinationsverhältnis“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nur für die in einem engen Sinne „wirklich Selbständigen“ sollten Sonderregeln gelten, im Zweifelsfall aber sei von einem Arbeitsverhältnis auszugehen.  

 

Unabhängig vom Status der Arbeit sei der gesetzliche Mindestlohn zu garantieren. Eine Reform der Sozialversicherung wird lediglich mit Blick auf die Arbeitslosenversicherung gefordert. Die Unterscheidung zwischen „Beschäftigten“ einerseits und „Arbeitslosen“ andererseits mache in der bisherigen Form keinen Sinn mehr.