Junckers „Stunde der europäischen Souveränität“
Jean-Claude Juncker hat seine letzte „Rede zur Lage der Union“ in seiner Funktion als Präsident der Europäischen Kommission gehalten.
KB/AD – 09/2018
Im Gegensatz zu seiner Rede im Jahr 2017, die mehrere Komponenten der Sozialpolitik unter dem Begriff „Union der Gleichberechtigten“ enthielt, fokussierte Juncker am 12. September 2018 in Straßburg hauptsächlich auf die wachsende Rolle Europas als Global Player und der damit verbundenen höheren Verantwortung der EU. Diese könne jedoch nur übernommen werden, wenn die innere Spaltung Europas überwunden werde und Europa mit einer Stimme spreche. Die Differenzen zwischen Nord und Süd, Ost und West müssten ausgeräumt werden. Auch deshalb betitelte er seine mündliche Ansprache mit „Stunde der europäischen Souveränität“. Auf die soziale Dimension der EU ging Juncker mündlich nicht ein – dies blieb dem Dokument vorbehalten, über das nachfolgend berichtet wird.
An den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, und den österreichischen Ratsvorsitzenden, Bundeskanzler Sebastian Kurz, richtete Juncker seine schriftliche „Absichtserklärung zur Lage der Union 2018“. Wie es darin heißt, müsse die EU nicht nur enger zusammenstehen, sondern sich auch mehr um ihre soziale Dimension kümmern. Der Zusammenhalt der Gesellschaften sei nur gewährleistet, wenn die EU die Interessen der Arbeitnehmer im Blick behalte. Eine starke soziale Dimension sei ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschafts-und Währungsunion. Im Rahmen der Europäischen Säule sozialer Rechte seien dazu zentrale Grundsätze für faire und gut funktionierende Arbeitsmärkte und Sozialsysteme formuliert worden. Zusammen mit den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und anderen Interessenträgern arbeite die Kommission nun daran, diese Säule in die Praxis umzusetzen.
Juncker vertiefte seine in der Absichtserklärung verschriftete sozialpolitische Haltung durch den Aufruf an das Parlament, die Vorschläge zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde und die Modernisierung der Vorschriften für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit noch vor den Wahlen 2019 anzunehmen. Des Weiteren sollen die Initiativen zum Schutz der Arbeitnehmer gegen die Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene und zur Verminderung der Auswirkung bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt verabschiedet, sowie ein EU-Rahmen für endokrine Disruptoren geschaffen werden. Im Bereich der Digitalisierung empfiehlt er den europäischen Austausch von elektronischen Patientenakten. Um die Effizienz in der Rechtssetzung der Sozialpolitik zu steigern, forderte er außerdem eine verbesserte Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit.