GKV-Spitzenverband begrüßt die Stärkung der nationalen HTA-Organisationen.

MS – 10/2018

„Dieses neue Gesetz ist ein guter Schritt zur Verbesserung des Zugangs der europäischen Bürger zu Medizin- und Gesundheitstechnologien. Es wird die Qualität der Gesundheitstechnologien verbessern, die Forschungsprioritäten adressieren und unnötige Doppelarbeit vermeiden. Außerdem hat es das Potenzial, das Gesundheitssystem nachhaltiger zu gestalten.“ (MdEP Soledad Cabezón Ruiz, S&D.) 

In einer für Brüsseler Verhältnisse ungewohnt kurzen Zeit hat das Europäische Parlament über den Verordnungsvorschlag zum europäischen Health Technology Assessment (HTA) abgestimmt. Nur knapp 9 Monate, nachdem die Europäische Kommission ihre Überlegungen zur vertieften europäischen Zusammenarbeit der EU-Mitglieder bei der Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten vorgestellt hat, haben sich die Europaabgeordneten auf zahlreiche Änderungen geeinigt. 

Klare Mehrheit im Europäischen Parlament

Mit einer deutlichen Mehrheit (576 ja :56 nein :41 Enthaltungen) hat das Plenum des Europäischen Parlamentes den Bericht der spanischen Abgeordneten Soledad Cabezón Ruiz (S&D) am 3. Oktober 2018 angenommen. „Wir wollen eine europäische Verordnung zu HTA, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die vernünftigsten Entscheidungen für die Patienten und den öffentlichen Haushalt zu treffen, anstatt kommerzielle Interessen im Vordergrund zu lassen“, so die Berichterstatterin. 

Auch Dr. Peter Liese (EVP) zeigte sich zufrieden mit der Einigung. Er betont, dass es nicht mehr in das heutige Zeitbild passe, nach einer zentralen Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für Nutzennachweise mindestens 28 Verfahren bei 28 Mitgliedstaaten zu haben. Daher solle die wissenschaftliche Arbeit gemeinsam auf europäischer Ebene gemacht werden, um den schnelleren Zugang zu Arzneimitteln zu fördern. Bei Preisfestsetzungs- und Erstattungsfragen sollen jedoch weiterhin die Regelungen auf nationaler Ebene Anwendung finden. 

GKV-Spitzenverband begrüßt die Stärkung der nationalen HTA-Organisationen

Die Vorschläge des Europaparlaments haben in einigen Teilen die Bedenken der Mitgliedstaaten und auch des GKV-Spitzenverbandes aufgegriffen und weisen damit den Weg zu einem möglichen Kompromiss. 

 

So hat das Europäische Parlament die Rolle der nationalen HTA-Organisationen gestärkt, indem sie in der Koordinierungsgruppe die Methoden und Abläufe der gemeinsamen Bewertung selbst festlegen sollen. Der GKV-Spitzenverband begrüßt auch, dass durch die vom Parlament vorgeschlagenen Änderungen ein klares Bekenntnis zur evidenzbasierten Medizin und zur Trennung zwischen „Assessment und Appraisal“ (Teil des Verordnungsentwurfs) gesetzt wurde. Letzteres soll und muss unbedingt den Mitgliedstaaten vorbehalten werden. 

Auch die Änderungen zu den erforderlichen Mehrheiten bei strittigen Fragen, so zum Beispiel bei den wissenschaftlichen Berichten, sind aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes begrüßenswert. Während die Europäische Kommisson die „Einfache Mehrheit“ vorschlägt (ein Land, eine Stimme), sprach sich das Europäische Parlament für eine „Qualifizierte Mehrheit“ aus. Das bedeutet, mindestens 55% der Mitgliedstaaten stimmen einem Beschlussvorschlag zu, wobei jedes Land eine Stimme hat. Des Weiteren müssen die zustimmenden Mitgliedstaaten insgesamt mindestens 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren. 

Dennoch verweist der GKV-Spitzenverband auf seine Stellungnahme zum Verordnungsentwurf und seine Vorschläge für Amendments an das Europaparlament. Die darin angeführten Punkte, insbesondere die Möglichkeit abweichender Assessments auf nationaler Ebene sowie die geforderte methodische Klarheit und Transparenz des Verfahrens, wird weiter für unverzichtbar gehalten, will man mit der europäischen HTA ein die nationalen Prozesse hinreichend berücksichtigendes und qualitativ hochwertiges Verfahren sicherstellen. 

Kritisch sieht der GKV-Spitzenverband auch, dass die Zahl der für eine HTA-Bewertung infrage kommenden Medizinprodukte gegenüber dem Kommissionsvorschlag weiter eingeengt wurde. Dies wird diesen Produkten und ihrer Bedeutung für die Gesundheitsversorgung nicht gerecht. Soledad Ruiz sieht das ähnlich: „Tatsächlich ist es der Bereich Medizinprodukte, in dem mehr wissenschaftliche Erkenntnisse für Entscheidungen erforderlich sind. Es handelt sich um einen Schwellenmarkt, aber er ist immer noch sehr zersplittert, so dass eine europäische Bewertung definitiv einen Mehrwert darstellen wird.“ 

Wie geht es weiter?

Ob das Gesetzgebungsvorhaben noch vor Ende der Legislaturperiode abgeschlossen werden kann, hängt nun maßgeblich davon ab, wie schnell eine Einigung in Form eines gemeinsamen Standpunktes des Rates möglich ist, bevor die Triloge zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission starten können. Zum heutigen Zeitpunkt ist aber noch nicht absehbar, wann der Rat „handlungseinig“ ist. 

 

Insbesondere bei politisch grundsätzlich entscheidenden Bestimmungen, wie bei der Frage der Verbindlichkeit einer europäischen Nutzenbewertung, sind die großen und kleineren Mitgliedstaaten uneins. Dies erschwert die Fortführung weiterer Sachdebatten zu technischen Koordinierungsvorschriften, denn bevor die großen Kompetenzdebatten und die Regulierungsideen der Kommission und die der Mitgliedstaaten nicht auf einen Nenner gebracht wurden, kann mit den Detailfragen nicht begonnen werden. 

Die österreichische Präsidentschaft beabsichtigt, zum Ende ihrer Amtszeit im Dezember 2018 einen Fortschrittsbericht vorzulegen. Ab dem 1. Januar 2019 übernimmt Rumänien die EU-Ratspräsidentschaft, der nur wenige Monate Zeit bleiben bis zu den Europawahlen, die vom 23. bis 26. Mai 2019 durchgeführt werden, zu verhandeln. Anschließend übernehmen Finnland (2. Halbjahr 2019) und Kroatien (1. Halbjahr 2020) den EU-Ratsvorsitz, bevor die deutsche Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020 beginnt. 

Weitere Informationen sind hier auf den Webseiten des Europäischen Parlaments erhältlich.