
Richtlinie für mehr Transparenz der Arbeitsbeziehungen
Überraschung beim Zugang zur Sozialversicherung.
Dr. WSW – 11/2018
Der
Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie „über transparente und
verlässliche Arbeitsbedingungen“ wird im Europäischen Parlament geradezu als
Musterfall für die Errichtung weiterer sozialer Mindeststandards behandelt.
Längst geht es nicht mehr um reine Informationspflichten des Arbeitgebers,
sondern auch um Mindestinhalte von Arbeitsverträgen. Entsprechend umfangreich
sind die Änderungswünsche des Ausschusses für Soziales und Beschäftigung in
seiner Sitzung am 26.10.2018.
In
sich noch relativ konsequent ist die Verpflichtung des Arbeitgebers, nicht nur
die Mindestfrist für den Beginn eines Arbeitsauftrags klar zu benennen, sondern
auch die zulässige Frist für eine Stornierung des Auftrags; beim Versäumen der
Stornierungsfrist bleibt der Vergütungsanspruch erhalten. Das Parlament
definiert keine Mindestfristen, sondern überlässt dies den Mitgliedstaaten –
falls sie dies denn für nötig halten. Das gleiche gilt für die Anzahl der
garantierten Arbeitsstunden. In Zukunft muss allerdings der Verzicht auf
jegliche Mindeststunden-Garantie mit „objektiven Gründen“ gerechtfertigt
werden.
Etwas
konkreter wird das Parlament bei der Zulässigkeit von Probezeiten. Auch dürfte
das Postulat, dass ungeachtet des Beschäftigungsstatus der Grundsatz des
gleichen Entgelts und der gleichen Bedingungen für alle Arbeitnehmer gilt, in
der praktischen Anwendung für einige Probleme sorgen.
Es
bleibt dabei, dass die Richtlinie nur für Arbeitnehmer und nicht für
Selbständige gelten soll. Was die Definition des „Arbeitnehmers“ angeht, hält
sich auch das Parlament mit Präzisierungen weitgehend zurück und lässt vor
allem offen, inwieweit Personen erfasst sind, die über Online-Plattformen
arbeiten. Allerdings würde ein neuer Artikel 17a eine Art Beweislastumkehr
schaffen: Danach trägt in Zukunft der potentielle Arbeitgeber die Beweislast
dafür, dass „kein Beschäftigungsverhältnis vorlag“. Im Kontext der Regelung
gilt diese Beweislastumkehr aber offenbar nur mit Blick auf die
Kündigungsschutzregeln.
Schließlich
fügt sich eine weitere Pflicht nahtlos in der Regelungszweck der Richtlinie
ein: Der Arbeitgeber muss gegenüber dem Arbeitnehmer den Nachweis über die
Anmeldung bei den Sozialversicherungsträgern führen.
Etwas deplatziert wirkt dann aber ein neuer Artikel 18b, der
den Mitgliedstaaten aufträgt, „dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitnehmer
Zugang zum Sozialschutz haben, indem sie die formelle Absicherung unabhängig
von der Art des Beschäftigungsverhältnisses für alle Arbeitnehmer verpflichtend
machen.“ Dies geht weit über das Anliegen hinaus, für mehr Transparenz der
Rechte und Pflichten zu sorgen. Auch wenn es sich vorliegend „nur“ um eine
Richtlinie handelt, ginge die Rechtswirkung deutlich über die einer bloßen
„Empfehlung“ hinaus. So würde zum Beispiel die Zulässigkeit von
Geringfügigkeitsgrenzen fraglich, Stichwort: 450,- Euro-Jobs.
Die Annahme der Änderungsanträge im Plenum des Parlaments
steht noch aus.