Zwischenstaatlicher Austausch elektronischer Gesundheitsdaten
EU-Kommission treibt grenzüberschreitenden Zugang zur elektronischen Patientenakte voran.
KG – 02/2019
Was wird angestrebt?
Die bestmögliche medizinische Versorgung von Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrem aktuellen Aufenthaltsort in der EU zu gewährleisten ist
das übergeordnete Ziel – die Interoperabilität der diesbezüglich zu
ergreifenden Maßnahmen ist der Weg dies zu erreichen. Besieht man sich die
gegenwärtigen Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger auf ihre Gesundheitsdaten,
zusammengefasst in einer Elektronischen Patientenakte (Electronic Health Records
– EHR) zuzugreifen, so divergieren diese stark zwischen den einzelnen
Mitgliedstaaten.
Die Kommission antwortet
darauf in ihrer Empfehlung von Februar 2019 mit
der Festschreibung von fünf Schlüsselbereichen, die zukünftig EU- weit digital
abrufbar sein sollen: Patientenkurzakten, elektronische Verschreibungen
(ePrescriptions), Laborbefunde, medizinische Bildgebung und ärztliche Berichte
sowie Krankenhaus-Entlassungsberichte.
Was wird ermöglicht?
Gesundheitsdienstleister und Krankenhäuser, denen somit grenzübergreifend
der zeitnahe Zugang zu Information über wichtige gesundheitliche Aspekte wie
Allergien, frühere Erkrankungen und aktuell verschriebene Arzneimittel gewährt
wird, könnten jeden Patienten überall in der EU auf seine individuellen
Bedürfnisse hin zugeschnitten behandeln. Angestrebt wird somit eine Steigerung
der Versorgungsqualität und -kontinuität.
Überdies könnten vermeidbare
Gesundheitsausgaben gemindert werden, wie sie beispielsweise durch die
wiederholte Durchführung medizinischer Tests entstehen, wenn entsprechende
vorherige Untersuchungsergebnisse und medizinische Bilder vorliegen. Folglich
würden nicht nur Kosten, sondern auch die wertvolle Zeit der Patientinnen und Patienten gespart,
das stellt die Kommission in Aussicht.
Einhergehend mit der alternden
Bevölkerungsstruktur und der zunehmenden Häufigkeit chronischer Krankheiten
wird der Bedarf an medizinischer Versorgung allgemein weiter steigen - die
europäischen Gesundheitssysteme sollten Antworten auf zukünftige
Herausforderungen bereitstellen.
In Zahlen
Schon gegenwärtig ist das Erfordernis einer
funktionierenden, eben jene Vorteile bietenden digitalen Infrastruktur
quantifizierbar: über 2 Millionen registrierte Fälle gibt es pro Jahr, in denen
Bürger Gesundheitsversorgung in anderen Mitgliedstaaten als dem eigenen in
Anspruch genommen haben. Zudem würden dem Eurobarometer zufolge 52% der EU-Bürger gerne online auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen,
gleichzeitig haben jedoch nur 18% dies schon einmal tun können. Darüber hinaus
prognostiziert die Kommission ein Einsparungspotential von über 20% an Ausgaben
im Gesundheitswesen, wenn es gelänge, die Durchführung vermeidbarer Tests,
Behandlungen und Krankenauseinweisungen zu verringern.
Der Prozess
Die Entwicklung des grenzüberschreitenden Austausches
wichtiger Gesundheitsdaten stellt einen komplexen technischen Prozess dar und
setzt vor allem die EU-weite Interoperabilität der digitalen Systeme voraus.
Die Empfehlungen beinhalten diesbezüglich technische Spezifikationen und
Standards, die auf bereits existierenden Strukturen der eHealth-
Diesteinfrastruktur (eHDSI) und der Arbeit der Fazilität Connecting Europe
(CEF) aufbauen und diese erweitern.
Die Kommission betont die enge Zusammenarbeit mit den
Mitgliedstaaten und deren nationalen Kompetenzzentren in einem gemeinsamen
Koordinierungsprozess und richtungsweisenden Fahrplan für dynamische
Verbesserungen.
Schwerpunkt Sicherheit
Online-Sicherheit und Datenschutz betreffend werden Mitgliedstaaten
zur Einhaltung höchster Standards angehalten, um das Vertrauen der zukünftigen
Nutzer zu sichern und somit den Mehrwert des Daten-Austausch-Programms erst zu
offenbaren. Alle Maßnahmen müssen den in der Datenschutzgrundverordnung verankerten
Prinzipien der Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit entsprechen.
Den
Risiken von Manipulation oder Fehlgebrauch sollen mit Regelungen der
elektronischen Identifizierung und Authentifikation entgegengewirkt werden. Die
Kommission bezieht sich auf die Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS)-
Richtlinie, deren Einhaltung es den Mitgliedstaaten ermöglichen soll,
entsprechende Standards zu gewährleisten.
Besonders wichtig in Bezug auf das
Narrativ des ‚citizen-empowerment‘, wie es von der Mitteilung
der Kommission zur digitalen Transformation des Gesundheitswesens im
April 2018 beschrieben wurde: Jedem Bürger soll es freistehen zu entscheiden,
wem Zugang zu welchen Einzelinformationen gewährt wird.
Ausblick
Der Erfolg dieses Schrittes des Gesundheitswesens in
Richtung eines Digitalen Binnenmarktes der EU hängt entscheidend vom Mitwirken
und der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten ab. Seit Januar 2019 ist der Transfer
von Patientendaten im eingangs genannten Schlüsselbereich der elektronischen
Verschreibungen in Finnland und Estland möglich, die somit ihrer europäischen Vorreiterrolle
im Bereich Digitaler Öffentliche Dienste entsprechen. Bis Ende 2020
sollen weitere 20 Mitgliedstaaten diesem Beispiel folgen, darunter auch
Deutschland.