Länderberichte im Europäischen Semester
EU-Kommission schlägt Umstellung des deutschen Rentensystems vor.
Dr. Sch-W – 03/2019
Im Rahmen des Europäischen Semester-Zyklus hat die
Kommission am 27. Februar die Länderberichte veröffentlicht und Fortschritte
(bzw. ihr Ausbleiben) bewertet, unter anderem bei den nicht immer populären
Strukturreformen. Europaweit sei das Tempo bei der Umsetzung der
länderspezifischen Empfehlungen weitgehend stabil geblieben. Fortschritte seien
vor allem bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Förderung von unbefristeten
Stellen und zur Bekämpfung der Segmentierung der Arbeitsmärkte erzielt worden.
Besonders wenig Fortschritte seien dagegen bei der Verbreiterung der
Steuerbemessungsgrundlage und in einigen Fällen sogar Rückschläge im Bereich
der langfristigen Tragfähigkeit der Finanzen zu verzeichnen, etwa bei Renten.
Ohne dies erst einmal in ihrem Überblick, s. Dokument COM(2019)150, zu
bewerten, hat die Kommission neben Spanien und Portugal auch Deutschland als
Länder identifiziert, in denen Maßnahmen zur Erhöhung der Rentenausgaben
eingeleitet oder geplant seien. Maßnahmen zur Stärkung der Nachhaltigkeit der
Gesundheitssysteme würden sich nur schleppend und lückenhaft gestalten. In
etlichen Ländern sei – wie erwünscht – die Steuerlast auf den Faktor Arbeit
gesenkt worden, wobei neben Deutschland auch Irland auf eine Verringerung der
Steuerlast gezielt für Arbeitnehmer mit geringem und mittlerem Einkommen setze.
Speziell mit Blick auf Deutschland attestiert die Kommission
Deutschland ein gutes Abschneiden bei den Indikatoren der europäischen Säule
sozialer Rechte, mit Ausnahme des Beschäftigungsgefälles zwischen Männern und
Frauen. Dagegen sei der Lohnanstieg „bescheiden“, und es bestehe nach wie vor
ein erheblicher Investitionsbedarf. Nach wie vor sei (trotz gewisser
Fortschritte) die Belastung des Faktors „Arbeit“ mit Steuern und Abgaben zu
hoch, auch bei Geringverdienern.
Sowohl die langfristige Tragfähigkeit als auch
Angemessenheit der Renten stelle für Deutschland eine Herausforderung dar. Der
„Gerechtigkeit“ und (angeblichen) „Regressivität“ des Rentensystems müsse
Rechnung getragen werden. Damit ist der Umstand gemeint, dass Menschen in
niedrigeren Gehaltsgruppen durchschnittlich kürzer leben und damit – ohne
Berücksichtigung von Hinterbliebenen und Erwerbsminderungsrenten – auch nur
über einen kürzeren Zeitraum Renten beziehen. Ferner empfiehlt die Kommission
Deutschland – etwas verklausuliert – eine automatische Anpassung des
Rentenalters an die Lebenserwartung.
Als eine weitere Option wird erwogen, das
deutsche Rentensystem nach dem Vorbild des schwedischen umzustrukturieren. Dies
würde eine Simulation rein kapitalgedeckter beitragsorientierter
Leistungssysteme bedeuten, ohne dass allerdings „reales“ Deckungskapital
vorhanden wäre („notional defined contribution“).
Jedenfalls in der Theorie
würden alle Wirtschafts- und Marktrisiken sowie demographischen Risiken
unmittelbar auf die Höhe von Anwartschaften und Renten durchschlagen. Dass dies
in der Praxis nicht so kommen muss, zeigt allerdings ebenfalls das Beispiel
„Schweden“. Mitten in der „Krise“ hätten eigentlich die laufenden Renten
gekürzt werden müssen. Dies wollte man dem Wahlvolk dann doch nicht zumuten, so
dass kurzfristig Anpassungen vorgenommen wurden.
Weiteren Reformbedarf sieht
die Kommission beim Deckungsgrad der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege
einer Einbeziehung der Selbständigen. Ins Visier gerät dann aber auch die
Riester-Rente. Durch die von ihr verlangten Garantien – letztlich handelt es
sich um nicht mehr als einen nominellen Kapitalerhalt – entgingen den
Sparern/Versicherten mögliche Renditen. Hinzu kämen die teilweise hohen
Verwaltungskosten. Indirekt spricht sich die Kommission damit für reine
Investmentfonds als Altersvorsorge aus.
Die Mitteilung hierzu erreicht man hier,
zum Länderbericht für Deutschland geht es hier.