Von der europäischen Arbeitslosen- zur europäischen Rentenversicherung?
Ein akademischer Beitrag zur Vergemeinschaftung der Sozialversicherung.
Dr. Sch-W – 03/2019
Die Einrichtung einer europäischen Arbeitslosen-(Rück-)
Versicherung als Instrument einer angeblichen makroökonomischen
„Stabilisierung“ der Euro-Zone wurde bereits ausgiebig diskutiert.
Die Idee: Im
Fall von externen „Schocks“ sollen die besonders betroffenen Länder finanziell
unterstützt werden. Bei den Details ist das meiste noch offen, insbesondere
auch die Frage, ob die Finanztransfers gezielt den von Arbeitslosigkeit
Betroffenen zugutekommen oder eher allgemein die Investitionen stärken sollen.
Da sich die makroökonomische Stabilisierungsfunktion von
Sozialsystemen nicht nur auf die Arbeitslosenversicherung beschränkt, ist es
nur eine Frage der Zeit, bis die Debatte auch auf andere Zweige übergreift.
Einen Beitrag hierzu leistet nun der unabhängige Autor Filipe Duarte über
die in Berlin ansässige Veröffentlichungsplattform „Social Europe“. Nach seiner
Vorstellung soll ein „Europäischer Versicherungsmechanismus“ für alle versicherungsgestützten
Geldleistungen eingerichtet werden; ausdrücklich genannt werden
Arbeitslosengeld und Altersrenten.
Damit soll nicht nur gegenwärtigen oder
ehemaligen Programmländern wie Portugal dabei geholfen werden, die Zweifel an der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen zu zerstreuen und
Strukturreformen zu vermeiden. Vielmehr gehe es ganz allgemein um den Einsatz
umverteilender Elemente im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer
Rechte. Damit soll der Druck auf die genannten Systeme durch zyklische
Konsolidierungszwänge, sinkende Steuereinnahmen, höhere Arbeitslosigkeit und
Alterungsprozesse abgemildert werden. Finanziert werden soll das ganze durch
Einkommenssteuern oder am BIP orientierte Zahlungen der Mitgliedstaaten.
Noch besser sei allerdings ein europaweites
umlagefinanziertes Rentensystem, ähnlich den bereits existierenden
nationalen Systemen. Ein solches System könne unter dem Dach der
künftigen Europäischen Arbeitsagentur errichtet werden. Es sei als
Ausdruck einer sozialen (Unions-) Bürgerschaft dem Konzeptrein
kapitalgedeckter Pan-Europäischer Pensionsfonds vorzuziehen.
Die Vorschläge von Duarte sind zur Zeit utopisch und auch
wenig ausgereift. Dennoch öffnen sie den Blick darauf, dass es sich bei der
angedachten europäischen Arbeitslosen-(Rück-) Versicherung nur um einen von
vielen weiteren Schritten handelt, die mitgliedstaatlichen
Sozialversicherungssysteme vielleicht nicht formal, aber im Ergebnis durch
finanzielle Transfers zu vergemeinschaften.