Die Aufstellung ihres Teams wird Ursula von der Leyen kurz vor Schluss noch politisches Geschick abverlangen. Das Parlament legt ihr auf den letzten Metern Stolpersteine in den Weg.

UM – 10/2019

Der Start der neuen Kommission soll um einen Monat auf den 1. Dezember verschoben werden. Dies hat das Europaparlament in der 42. Kalenderwoche entschieden. Zunächst müssten alternative Kandidatinnen und Kandidaten für die Ressorts Binnenmarkt, Verkehr sowie Nachbarschaft und Erweiterung vorgeschlagen werden.


Wann die neue Kommission die Geschäfte übernehmen kann, liegt auch in den Händen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Dieser gibt der designierten Kommissionspräsidentin die Schuld für das Scheitern seiner Kandidatin Sylvie Goulard. Dies sei ein „politisches Spiel“, von der Leyen hätten alle Informationen zur Person vorgelegen. Die 54jährige Politikwissenschaftlerin sollte Kommissarin für den Binnenmarkt werden.

Retourkutsche für Macron?

Der zuständige Parlamentsausschuss hatte Goulard bereits am 10. Oktober mit 82 zu 29 Stimmen abgelehnt. Die Französin bot hinreichend Angriffsfläche. Gestolpert ist sie vermutlich aber nicht nur  über eine Scheinbeschäftigungsaffäre und dubiose Nebenverdienste. Nicht wenige erkennen politische Motive: Das Nein zu Goulard sei eine Reaktion auf die Absage Macrons an das Spitzenkandidatenprinzip.

Von der Leyen kommt dies ungelegen. Sie hatte die Bewerbung Goulards ausdrücklich unterstützt – mit dem Wissen um ein ihr anhängendes Strafverfahren in Frankreich. Nun sind drei Posten in der neuen Kommission vakant. Zuvor hatten auf Einlassung des Rechtsausschusses Ungarn und Rumänien zurückziehen müssen.

Die Zeit heilt alle Wunden

Für Ungarn und Rumänien stehen Alternativen bereit. Die wackelige Nominierung von Janusz Wojciechowski (Polen) für das Ressort Landwirtschaft wird sich klären und auch Frankreich hat mit dem früheren Finanzminister Thierry Breton zwischenzeitlich eine Lösung angeboten. Unabhängig davon steht die Struktur der neuen Kommission fest.

Juncker-Kommission war schlanker

Ursula von der Leyen wird mit acht Vizepräsidentinnen und -präsidenten, davon drei mit Exekutivfunktionen, regieren. Die Aufstellung von Margrethe Vestager als exekutive Vizepräsidentin für das digitale Europa wird als Zugeständnis an die nach der Europawahl deutlich erstarkten Liberalen gedeutet. 18 weitere Kommissarinnen und Kommissare verteilen sich auf die einzelnen Ressorts. Zum Vergleich: Die Juncker-Kommission ist mit nur einem „Ersten Vizepräsidenten“, der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik sowie drei weiteren Vizepräsidenten angetreten und straffer organisiert.

Regierungsarbeit wird schwieriger

Das Regieren wird in der neuen Kommission damit nicht einfacher, zumal der Stellenwert der einzelnen Fachressorts aufgewertet werden soll. Zudem ist eine Reihe von Themen über verschiedene Ressorts verteilt mit zum Teil überraschenden Ergebnissen. Zum Beispiel soll Dubravka Šuica, designierte Vizepräsidentin und Kommissarin für Demokratie und Demografie ein Grünbuch zum Thema Altern vorlegen. Das Grünbuch soll auch der Frage nachgehen, ob die sozialen Sicherungssysteme für die Alterung der Gesellschaft gerüstet sind.

Überhaupt sind Gesundheits- und Sozialthemen vielerorts adressiert. Das machte nötig, dass sowohl der Ausschuss für Arbeit und Soziales (EMPL) als auch der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) zu jeweils sechs Anhörungen der Kandidatinnen und Kandidaten geladen wurde. In der neuen Kommission wird wohl immer wieder auch über Zuständigkeiten geredet werden müssen.