Ein sicherer Arbeitsplatz erfordert „Köpfchen“
Die Automatisierung wird die Arbeitswelt massiv verändern. Welche Arbeitsplätze bleiben, welche werden verschwinden? Eine Studie der EU-Kommission sucht nach Antworten.
UM – 01/2020
Die Generaldirektion für Arbeit und Soziales (DG EMPL) der
Europäischen Kommission ist in Zusammenarbeit mit der London School of
Economics and Political Science (LSE Consulting) der Frage nachgegangen, wie
sich die Arbeitswelt aufgrund der fortschreitenden Automatisierung von
Arbeitsprozessen innerhalb der nächsten zehn Jahre verändern wird. Ziel ist,
die politische Debatte um die Zukunft der Arbeit in der „4ten industriellen
Revolution“ zu unterstützen. Die Ergebnisse sind eher grundsätzlicher Natur, der
regressionsanalytische Ansatz fußt auf Daten aus 25 EU-Ländern (Studie
„What Work Disappears“; nur in englischer Sprache).
People, brains & brawn
Bei der gewählten Methodik werden drei Faktoren analysiert
und zueinander ins Verhältnis gesetzt, die jeden Beruf und jeden Job unterschiedlich
stark bestimmen. Dabei steht die Variable „people“ für die Tätigkeiten und
Fähigkeiten, um im Beruf mit anderen Menschen zu agieren und „brains“ für solche,
die abstraktes Denken erfordern. „brawn“ hingegen stellt den Bezug zu rein
körperlichen Anforderungen und Fähigkeiten her, die im Umgang mit Maschinen und
Werkzeugen gebraucht werden. Die Korrelation der drei Variablen ermöglicht
Aussagen darüber, wie wahrscheinlich es ist, dass es einen Job in zehn Jahren
noch geben wird oder nicht.
Muskeln werden immer unwichtiger
Das generelle Fazit der Analyse ist: Aufgaben, die eine hohe
Kompetenz in Richtung nicht-lineares Denken (brains) erfordern, sind am ehesten
davor geschützt, durch Maschinen ersetzt zu werden. Solche, die gleichermaßen
abstraktes Denken und persönliches Engagement in der Interaktion mit anderen Menschen
(people) benötigen, sind ebenfalls vergleichsweise sicher. Wenig überraschend: Die
stark körperlich ausgerichtete Arbeit (brawn) dürfte am ehesten einer
Automatisierung zum Opfer fallen. Es sei denn, es handelt sich um Jobs, die starke
soziale Bezüge aufweisen und neben der physischen Beanspruchung auch intellektuelle
Herausforderungen mit sich bringen. Je stärker diese Faktoren wirken, umso wahrscheinlicher
wird es diese Arbeiten weiterhin geben.
Länderspezifische Unterschiede
Die Studie zeigt aber auch: Die Realität ist komplex. Die
Zukunft der Arbeit in den einzelnen Ländern hängt auch davon ab, inwieweit die
Jobs dort überhaupt automatisierbar sind. So haben zum Beispiel die
skandinavischen Länder oder auch Frankreich in Bereichen, die entsprechend der theoretischen
Analyse eher substitutionsgefährdet sein müssten, vergleichsweise hohe Anteile
an spezifischen Jobs, die als nicht automatisierbar gelten, was sie schützt. Das
gilt auch und gerade in Deutschland für viele Jobs, die stark auf die soziale
Interaktion ausgerichtet sind. Umgekehrt sind Arbeitsplätze in Irland oder
Tschechien, die theoretisch vergleichsweise sicher sind, bei näherer
Betrachtung doch in Gefahr, da viele von ihnen leicht zu automatisieren sind.
Die Politik muss folglich immer genau hinschauen, will sie prüfen, mit welchen
Maßnahmen die auf den Arbeitsmärkten in der Zukunft benötigten
Fähigkeiten und Kompetenzen sicherzustellen und zielgerichtet zu fördern sind.