Automatisierte Entscheidungen
Europäisches Parlament möchte Verbraucherschutz stärken
SW – 02/2020
Das Europäische
Parlament strebt einen gemeinsamen Ansatz der EU für die Entwicklung
automatisierter Entscheidungsprozesse an, um die Vorteile dieser
Prozesse nutzen, jedoch die damit einhergehende Risiken
sowie eine Fragmentierung des Binnenmarkts im Hinblick auf deren Regulierung vermeiden zu können.
In seiner Entschließung zum Thema „Automatisierte Entscheidungsfindung: Gewährleistung des
Verbraucherschutzes und des freien Verkehrs von Waren und Dienstleistungen“ sprechen
sich die Abgeordneten für eine Stärkung der Verbraucherrechte und die
Sicherstellung einer Überprüfung endgültiger und dauerhafter automatisierter
Entscheidungen durch Menschen aus.
Vertrauen der Verbraucher
Das Europäische
Parlament begrüßt die Möglichkeiten automatisierter Entscheidungen, vertritt jedoch die
Ansicht, dass Verbraucher darüber informiert sein müssen, wenn sie mit einem
solchen System interagieren. Ferner müssten sie wissen, wie dieses
funktioniert, wie entscheidungsbefugte Personen erreicht werden können und wie
sich Entscheidungen des Systems überprüfen und korrigieren lassen.
Wie auch die
Expertengruppe der Kommission in ihren Ethik-Leitlinien für eine
vertrauenswürdige Künstlichen Intelligenz (KI), legt das Parlament damit Wert
auf eine Kontrolle und gegebenenfalls Letztentscheidung durch Menschen. Die Kommission
wird aufgefordert, zu prüfen, ob Regelungslücken bestehen und ob über bereits
bestehende Regelungen hinaus Maßnahmen erforderlich sind, um die Rechte der
Verbraucher im Zusammenhang mit KI und automatisierter Entscheidungsfindung zu schützen.
Automatisierte Entscheidungen in der Sozialversicherung
Die Fragestellung
des Vertrauens in automatisierte Entscheidungen und deren Überprüfungen könnte sich
künftig auch zunehmend im Bereich der Sachbearbeitung der Sozialversicherungsträger
stellen. So testet die schweizerische Unfallversicherung seit Herbst 2019 teilautomatisierte
Prozesse, um Schadensfälle zu identifizieren, die den Unfallbegriff nach schweizerischem
Recht erfüllen.
Aber auch auf
die Sicherheit von Maschinen und die Interaktion zwischen Mensch und Maschine und damit auf Fragestellungen der Prävention am Arbeitsplatz werden
automatisierte Entscheidungen Einfluss haben.
Sicherheit im Umgang mit Maschinen
Das Europäische Parlament weist
darauf hin, dass Produkte, die über eine automatisierte Entscheidungsfindung
verfügen, sich weiterentwickeln und in einer Art und Weise „handeln“ können,
die beim ersten Inverkehrbringen nicht vorgesehen war.
Die Kommission
wird aufgefordert, für eine Reihe von spezifischen europäischen Produktsicherheitsvorschriften,
wie z.B. der Maschinenrichtlinie, sowie für „nicht harmonisierte Produkte“, die
unter die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit fallen, Vorschläge zur
Anpassung der Sicherheitsvorschriften vorzulegen. Die Abgeordneten möchte
hierdurch Nutzer und Verbraucher vor Schäden schützen und den Herstellern
Klarheit über ihre Pflichten verschaffen.
Das Europäische
Parlament hält in Anbetracht der Komplexität der verschiedenen Anwendungen von
KI und automatisierten Entscheidungsfindungssystemen einen risikobasierten Reglungsansatz
für erforderlich. Auch die Datenethikkommission empfiehlt in ihrem Gutachten im Auftrag der Bundesregierung einen risikoadaptierten Regulierungsansatz für
algorithmische Systeme. Nach ihrer Vorstellung sollte dieser auf dem Grundsatz
aufbauen, dass ein steigendes Schädigungspotenzial mit wachsenden Anforderungen
und Eingriffstiefen der regulatorischen Instrumente einhergeht. Für die
Beurteilung komme es jeweils auf das gesamte sozio-technische System an, also
alle Komponenten einer algorithmischen Anwendung einschließlich aller
menschlichen Akteure, von der Entwicklungsphase (z. B. hinsichtlich der verwendeten
Trainingsdaten) bis hin zur Implementierung in einer Anwendungsumgebung und zur
Phase von Bewertung und Korrektur.
Die
Abgeordneten des Europäischen Parlaments fordern die Kommission auf, ein
Risikobewertungssystem für KI und automatisierte Entscheidungsfindung
zu entwickeln, um auf diese Weise für einen kohärenten Ansatz bei der Durchsetzung
der Produktsicherheitsvorschriften im Binnenmarkt zu sorgen.
Nächste Schritte
Die Kommission
hat, wie in ihrem Arbeitsprogramm angekündigt, am 19. Februar 2020 ein Weißbuch zur KI vorgelegt, um deren
Entwicklung und Nutzung zu unterstützen. Gleichzeitig möchte sie jedoch auch die
uneingeschränkte Achtung der europäischen Werte und Grundrechte sicherstellen. Mit
Hilfe der KI könnten neue Lösungen für alte Probleme gefunden und eine Vielzahl
verschiedener Arbeitsabläufe beschleunigt werden. Voraussetzung hierfür sei jedoch
ein vertrauenswürdiges Ökosystem, das sich innerhalb klar definierter ethischer
Grenzen entwickelt. Gleichzeitig hat sie eine öffentliche Konsultation zum Weißbuch eingeleitet, an der sich Interessierte bis zum 19. Mai 2020 beteiligen können.