Bei Krebsarzneimitteln ist Handlungsbedarf gegeben.

UM – 02/2020

Am 4. Februar hat Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides im Rahmen einer Veranstaltung im Europaparlament den Startschuss für den Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung gegeben. Nichtstun, so die Kommissarin, würde dazu führen, dass sich die Krebsfälle bis zum Jahr 2035 verdoppeln. Das verursache massive gesundheitliche, soziale und finanzielle Belastungen. Man müsse umsteuern!

Mit dem Startschuss beginnt eine breit angelegte Konsultationsphase. Im vierten Quartal will die EU-Kommission den Entwurf eines Aktionsplanes vorlegen. Zur gleichen Zeit soll auch eine Mitteilung zu einer Arzneimittelstrategie veröffentlicht werden. Das ist kein Zufall – wie auch Martin Seychell, Stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion SANTE anlässlich einer Veranstaltung „Cancer Care in Europe: Where are we in 2020?“ der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) erkennen ließ. Die Arzneimitteltherapie nimmt in der Krebsbehandlung eine zentrale Stellung ein – und mit ihr die Probleme, denen sich die Gesundheitssysteme in Europa im Zusammenhang mit immer kostspieligeren Medikamenten ausgesetzt sehen.

Hohe Preise – wenig Nutzen

In ganz Europa sind die Preise für Krebsarzneimittel in den vergangenen zwei Jahrzehnten dramatisch gestiegen. Mit den Aufwänden der Industrie für Forschung und Entwicklung haben sie oft nur wenig zu tun. Nicht jedes neue Arzneimittel ist auch eine Innovation mit höherem Nutzen für die Patientinnen und Patienten. Häufig genug bleiben sie ohne Effekt auf die Verlängerung der Lebenszeit oder Verbesserung der Lebensqualität.

Versorgungsdisparitäten

Hohe Preise stellen auch eines der größten Hindernisse beim Zugang zu Arzneimitteln dar. Nicht neu ist – es gibt ein West-Ost-Gefälle: In Ländern wie Polen, Rumänien, Bulgarien und einigen Balkanländern sind deshalb bestimmte Onkologika gar nicht verfügbar. Unterschiede gibt es insbesondere zwischen Ländern mit hohem Einkommen und solchen mit niedrigem Einkommen. Versorgungsdisparitäten sind auch Ergebnis von Geschäftsstrategien der Pharmaindustrie.

Nicht jeder Lieferengpass ist ein Versorgungsengpass

Zudem werden Lieferengpässe bei Krebsarzneimitteln immer häufiger festgestellt. Das bestätigte auch Professor Wolf-Dieter Ludwig von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft anlässlich ihrer „Frühstücksdebatte“ im Januar in Brüssel. Diese könnten viele Gründe haben – die konkreten Ursachen wären häufig nicht bekannt. Für diese müssten geeignete Antworten auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene gefunden werden. Das setzt auch voraus, zu definieren, welche Arzneimittel versorgungsnotwendig sind.

In Deutschland wurden im Jahr 2018 über sieben Milliarden Euro für Krebsmedikamente ausgegeben. 7,1 Millionen Verordnungen haben dafür gesorgt, dass Onkologika - ob als Fertigarzneimittel oder Rezeptur – die umsatzstärkste Arzneimittelgruppe ist. Das größte Verordnungsvolumen mit einem Anteil von fast 70 Prozent entfällt auf Hormonantagonisten, die zur Behandlung des Mammakarzinoms und des Prostatakarzinoms eingesetzt werden.

Deutschland ist Referenzland

Die Preise für Patentarzneimittel liegen in Deutschland höher als in den meisten anderen Ländern. Seit 2011 greift zwar ein Verfahren, das auf einer frühen Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln und der Verhandlung von Erstattungspreisen fußt. Der Umstand, dass bis zur Geltung des verhandelten Erstattungsbetrages der Hersteller den Preis bestimmt, ist einzigartig und trägt zum hohen Kostenniveau bei. Damit gilt Deutschland in punkto Patentarzneimittel als Referenzland für die Aushandlung von vertraulichen Rabattverträgen in anderen EU-Ländern.

Preistransparenz wird gebraucht

Die tatsächlichen Preise der Medikamente kennen nur die Hersteller. Die Preisverhandlungen in den einzelnen Ländern zwischen den Behörden, den autorisierten Institutionen und der Pharmaindustrie werden in der Folge mit ungleich langen Spießen geführt. Transparenz wäre von Nöten.