COVID-19: Kommission kündigt Verschiebung der Anwendung der MDR an
Positionierung des GKV-Spitzenverband bietet Regelungsvorschlag.
RB – 03/2020
In den letzten Wochen und Monaten gab es vielfach
Vorschläge, die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) zeitweise außer Kraft zu
setzen oder ihren Geltungsbeginn durch ein Moratorium zu verzögern. Hinter
vielen dieser Initiativen steht die Befürchtung, dass aufgrund von echten oder
vermeintlichen Schwierigkeiten im Übergang vom alten auf neues EU-Recht eine
Vielzahl von Medizinprodukten plötzlich nicht mehr verfügbar sein könnten, weil
sie ihre Verkehrsfähigkeit verlieren. Nun nehmen Verbände der Medizinprodukteindustrie die aktuelle Versorgungssituation erneut zum Anlass, eine Verzögerung des
Inkrafttretens der MDR bei der EU-Kommission zu erwirken – scheinbar mit
Erfolg.
EU-Kommission möchte Inkrafttreten der MDR um ein Jahr verschieben
Die Europäische Kommission hat mit Beginn der Verbreitung
des Corona Virus Maßnahmen ergriffen, welche den erhöhten Bedarf an
Medizinprodukten in der medizinischen Versorgung gezielt unterstützen sollen.
Neben dem Aufbau der „rescEU Stockpiling“ Vorratshaltung für ausgewählte
Produkte sowie dem eingeleiteten Verfahren zur zentralen Beschaffung hat die
EU-Kommission auch gezielte Schritte eingeleitet, um die ausreichende
Verfügbarkeit von Medizinprodukten in der Corona Krise sicherzustellen.
Trotz dieser vielseitigen Maßnahmen zur
Verbesserung der Versorgungssituation, hat die Eu-Kommission am 25. Mai 2020 angekündigt, zusätzlich das Inkrafttreten
der MDR um ein Jahr zu verschieben. Ziel sei es, zum jetzigen Zeitpunkt den
Herstellern Freiräume zu gewähren, um den aktuell dringenden Aufgaben und der
Produktion in der Corona Krise nachzukommen.
Versorgung mit Medizinprodukten ohne Verschiebung der MDR sicherstellen
Der Umgang mit der
Corona-Krise muss derzeit auf EU-Ebene Priorität haben. Gleichzeitig muss
jedoch die Versorgungssicherheit hochwertiger Medizinprodukte in Europa auch
während der COVID-19-Pandemie gewährleistet sein. In diesem Zusammenhang sind
die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen besorgt über die Absicht der Kommission, das
Inkrafttreten der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) zu verzögern. Sie weisen in ihrer Stellungnahme darauf
hin, dass die vielfach vorliegenden Beschaffungs- und Verteilungsprobleme bei
der Ausstattung mit Material und Produkten wie Atemschutzmasken,
Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln oder Beatmungsgeräten in einer plötzlichen
und außergewöhnlich hohen Nachfrage begründet sind. Sie steht aber nicht im
Zusammenhang mit der Umsetzung der Medizinprodukteverordnung.
Die Bevölkerung
jedes europäischen Mitgliedstaates habe ein Anrecht auf qualitativ hochwertige
Versorgung mit verkehrsfähigen Medizinprodukten – auch in der Corona Krise.
Nationalstaatliche Lösungen seien ebenso wenig zielführend wie eine plötzliche
Aussetzung der neuen EU-Verordnung. Ein Außerkraftsetzen der neuen Verordnung
würde bestehende Planungsunsicherheiten bei Unternehmen, Benannten Stellen und
Behörden verschärfen, da der Transformationsprozess vom alten zum neuen Recht
in vollem Gange ist. Viele Hersteller hätten sich auf die neuen Anforderungen
eingestellt bzw. bereiten sich seit Jahren darauf vor. Das gleiche gelte für die
Benannten Stellen. Alle wichtigen Benannten Stellen hätten die Neubenennung
bereits erfolgreich erhalten oder befinden sich mitten im Benennungsprozess.
Auch nationale Gesetzgebungsprozesse seien bereits in fortgeschrittenen Stadien
und müssten zurückgenommen werden, die Behörden würden sich personell und
strukturell auf neue Aufgaben vorbereiten.
Eine durch die
COVID-19 ausgelöste kurzfristige und außergewöhnlich hohe Nachfrage an
Medizinprodukten sollte deswegen getrennt von dem geplanten Umsetzungszeitraum
der Medizinprodukteverordnung betrachtet werden. Die gesetzlichen Kranken- und
Pflegekassen haben sich deswegen für einen Lösungsvorschlag ausgesprochen, der
zu einer weiteren Entlastung der Versorgungssituation führt, gleichzeitig aber
ein Inkrafttreten der Medizinprodukteverordnung zum 25. Mai 2020 nicht
gefährdet.
Die Positionierung inklusive Lösungsvorschlag können Sie hier nachlesen.
Wie geht es weiter?
Die Europäische Kommission arbeitet noch an ihrem Vorschlag
zur Verschiebung des Inkrafttretens der Medizinprodukteverordnung. Ziel sei es
dem Europäischen Parlament und dem Rat Anfang April einen
Text vorzustellen, der bis Ende Mai angenommen werden könnte.
Hintergrundinformation
Am 26.05.2020 soll die Medizinprodukteverordnung (EU)
2017/745 in Kraft treten. Die EU-Medizinprodukteverordnung soll gewährleisten,
dass Patientinnen und Patienten in Europa mit sicheren, wirksamen und
leistungsfähigen Medizinprodukten versorgt werden und größere
„Medizinprodukteskandale“ nicht mehr vorkommen. Die Verordnung setzt dafür neue
Maßstäbe bei der Patientensicherheit. Wir berichteten zuletzt in der Ausgabe 10/2019.