Bestehende Grenzwerte sollen überprüft werden.

SW – 04/2020

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit etwa 125 Millionen Menschen am Arbeitsplatz Asbest ausgesetzt (Stand: Februar 2018). Schätzungsweise die Hälfte aller auf berufsbedingten Krebs zurückgehenden Todesfälle werden durch Asbest verursacht.

Die Europäische Kommission möchte die Expositionsgrenzwerte von Asbest überprüfen und hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hiermit beauftragt. Die ECHA hat nun eine Aufforderung zur Einreichung von Bemerkungen und zur Vorlage von Nachweisen zu Asbest und seinen Eigenschaften veröffentlicht (liegt nur in Englisch vor). Im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Bewertung der Expositionsgrenzwerte am Arbeitsplatz möchte sie Informationen über Exposition, gesundheitliche Auswirkungen, Toxikologie, Epidemiologie und Wirkmechanismen erhalten. Beiträge können noch bis zum 2. Juni 2020 eingereicht werden.

Zuvor hatte sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in seiner Stellungnahme „Arbeiten mit Asbest bei der energetischen Gebäudesanierung“ von Mai 2019 dafür ausgesprochen, dass die Kommission den nach Richtlinie 2009/148/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz in der EU geltenden Grenzwert für Asbestfasern von 100 000 Fasern/m3 überprüfen solle. Er berief sich in diesem Zusammenhang auf eine Empfehlung der International Commission on Occupational Health (ICOH), die eine Herabsetzung des Grenzwertes auf 1 000 Fasern/m3 rät.

Der EWSA wies unter Berufung auf statistischen Daten der ICOH darauf hin, dass Asbest in Europa jährlich etwa 88 000 Todesfälle verursache und Auslöser von 55 – 85 Prozent der berufsbedingten Lungenkrebserkrankungen sei. Nach wie vor sei Asbest eine Hauptursache für berufsbedingte Krebserkrankungen in Europa. Es wird erwartet, dass die Sterblichkeitsraten trotz des Verbots von Asbest bis zum Ende der 2020er Jahre und möglicherweise bis in die 2030er Jahre weiterhin ansteigen werden.


Nach Ansicht des EWSA müssen auch Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren für Asbestopfer verbessert und der Zugang zu notwendigen Informationen vereinfacht werden, um betroffene Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, rechtliche, finanzielle und persönliche Unterstützung in Anspruch nehmen zu können.

Die Kommission hatte in ihrer Antwort auf eine parlamentarischen Anfrage darauf verwiesen, dass sie den Mitgliedstaaten in ihrer Empfehlung 2003/670/EG über die Europäische Liste der Berufskrankheiten empfohlen habe, in ihre nationalen Rechtsordnungen Bestimmungen über wissenschaftlich anerkannte Berufskrankheiten, die entschädigungspflichtig sind, aufzunehmen (Antwort liegt nur in Englisch und Italienisch vor). Eine Reihe von Berufskrankheiten im Zusammenhang mit Asbestexposition, wie beispielsweise Silikose, Asbestose und Mesotheliom, seien in Anhang I der Empfehlung ausdrücklich erwähnt. Die Kommission verwies jedoch auch darauf, dass Empfehlungen rechtlich unverbindlich seien. Die Festlegung des Verfahrens für die Anerkennung von Berufskrankheiten und ihre Entschädigung fallen in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Ausblick

Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) plant eine Erhebung zur Exposition von Arbeitnehmern gegenüber Krebsrisikofaktoren. In der Erhebung sollen die am häufigsten auftretenden Expositionssituationen sowie die Anzahl und Merkmale der Arbeitnehmer untersucht werden, die einer Vielzahl von Krebsrisikofaktoren, wie zum Beispiel Asbest, Benzol, Chrom, Dieselabgasen, Nickel, Siliziumstaub, UV-Strahlung und Holzstaub ausgesetzt sind. Die EU-OSHA möchte hierdurch zu einer faktengestützten Politikgestaltung beitragen. Die Arbeiten an der Erhebung sollen in diesem Jahr beginnen, erste Ergebnisse möchte die EU-OSHA 2023 veröffentlichen.


Auch der Ausschuss „Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“ des Europäischen Parlaments wird sich mit dem Thema „Schutz der Arbeitnehmer vor Asbest“ beschäftigen und die Kommission in einer Entschließung voraussichtlich um die Vorlage geeigneter Vorschläge für eine rechtliche Initiative ersuchen.