COVID-19: Rückschritt in der Gleichstellung?
Austausch mit der EU-Kommissarin für Gleichberechtigung Dalli im EU-Parlament.
JS – 05/2020
Der Ausschuss
für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) wird sich am 26. Mai
2020 mit EU-Kommissarin für Gleichberechtigung Dr. Helena Dalli über das
Arbeitsprogramm der EU-Kommission sowie die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
auf Frauen austauschen. Zuvor wird der Ausschuss
für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) tagen, um einen entsprechenden Bericht vorzubereiten.
Mehrere Studien sowie Verbände zeigen ein alarmierendes Bild
für die wirtschaftliche und gesundheitliche Situation von Frauen in der
aktuellen COVID-19-Krise.
Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit
Nach Angaben der UN
Women sind weltweit 70 % des Personals in sozialen und Pflegeberufen
Frauen. Ebenso im Bereich Reinigung und Einzelhandel sind überwiegend Frauen
beschäftigt. Für sie besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Pflegeaufgaben und
Ansteckungsgefahr bringen verstärkte psychische Belastungen mit sich.
Existenzängste und räumliche Einschränkungen führen zu einem
Anstieg häuslicher Gewalt.
Auswirkungen auf Rente, Karriere, Unternehmensentwicklung
Im Hinblick auf die sozio-ökonomischen Folgen zeigen zum
Beispiel eine Studie der
Hans-Böckler-Stiftung wie auch eine Umfrage
des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, dass überwiegend
Frauen aktuell ihre Arbeitszeit für die Kinderbetreuung reduzieren oder
freigestellt sind. Die negativen Folgen hiervon sind vielfältig.
Überdurchschnittlich viele Frauen sind in prekären
Arbeitsverhältnissen und im Niedriglohn-Bereich beschäftigt. Einkommenseinbußen
durch reduzierte Arbeitszeit können nicht ausgeglichen werden. Armut kann die
Folge sein.
Weitere langfristige Auswirkungen sind nicht nur sinkende
Rentenerwartungen durch geringere Beiträge.
Die Frauen sind hierdurch weniger präsent in den Betrieben –
in einer Zeit in der in Unternehmen viele Weichen gestellt werden für die
Zukunft. Hierdurch verpassen Frauen Karrierechancen.
Sie haben so weniger Möglichkeiten, ihre Sicht in die
Unternehmensentwicklung und -kultur miteinzubringen. Es steht zu befürchten,
dass Rückschritte im Hinblick auf Gleichberechtigung die Folge sind.
Forderungen einer entsprechenden Politik
Verbände und Institutionen wie das Europäische
Institut für Gleichstellungsfragen oder die European
Women’s Lobby fordern daher, aus der Krise zu lernen und eine
entsprechende Gleichstellungspolitik durchzusetzen.
In einer Erklärung
vom 05. Mai 2020 fordert auch der Hohe Vertreter der Europäischen Union für
Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell: „Alle als Reaktion auf die
Pandemie ergriffenen Maßnahmen sollten inklusiv und geschlechtergerecht sein
und gewährleisten, dass Frauen uneingeschränkt und wirksam an
Entscheidungsprozessen und in allen Phasen der Reaktion auf die Pandemie und
der Erholung davon beteiligt sind.“
Es bleibt abzuwarten, welche Früchte der Austausch mit
EU-Kommissarin Dalli in dieser Hinsicht trägt – oder ob die
Gleichberechtigungsbewegung in der EU um Jahre oder gar Jahrzehnte
zurückgeworfen wird.