Zweite Phase der Konsultation der Sozialpartner.

Dr. S-W – 06/2020

Die EU-Kommission möchte mit einer Initiative sicherstellen, „dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Union durch einen gerechten Mindestlohn geschützt werden, der ihnen einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht“.

Das in diesem Rahmen am 3. Juni veröffentlichte Konsultationspapier der Europäischen Kommission stellt zunächst die Ergebnisse der ersten Konsultationsrunde vom Januar/Februar 2020 vor. Die Arbeitnehmerseite wies vor allem auf die zu niedrige Höhe der Mindestlöhne hin, gemessen am Ziel von 60% des nationalen Medianlohns, so dass man diese nicht „gerecht“ nennen könne. Außerdem wird die mangelnde Berücksichtigung der Selbständigen kritisiert.

Was künftige europäische Initiativen angeht, so sprachen sich die Arbeitnehmerorganisationen (mit Ausnahme von CESI) nicht explizit für einen rechtsverbindlichen Rahmen aus. Auf der Arbeitgeberseite schlägt Business Europe vor, die Angemessenheit eher am Maßstab der Nettolöhne zu prüfen. Teilweise wird auch die Eignung von Mindestlöhnen bezweifelt, Armut trotz Erwerbstätigkeit zu bekämpfen. Einig war man sich dagegen in der Ablehnung einer verbindlichen EU-Initiative; hierfür bestehe keine Rechtsgrundlage.

Anschließend übt die Kommission deutliche Kritik an der Praxis der Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Mindestlöhne. Nur vier Mitgliedstaaten hätten überhaupt ein quantifizierbares Ziel, in den meisten Staaten sei das Niveau sowohl auf Brutto- als auch auf Nettobasis zu niedrig, und außerdem gebe es zu viele Lücken bzw. Ausnahmen. Vor diesem Hintergrund sei es erforderlich, die Festlegung und Aktualisierung des gesetzlichen Mindestlohns auf „klaren und stabilen“ Kriterien aufzubauen.

Nach Prüfung der Standpunkte gelangte die Kommission – wenig überraschend – zum Schluss, dass Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind. Hierzu konkretisiert die Kommission, es sei weder geplant, die Höhe des Mindestlohns EU-weit zu harmonisieren noch einen einheitlichen Mechanismus für die Festlegung von Mindestlöhnen einzurichten. Vielmehr stehe es den Mitgliedstaaten frei, entweder durch Rechtsvorschriften oder durch Tarifverträge einen Mindestlohn zu gestalten. Aber: Es müsse ein „EU-Rahmen für Mindestlöhne“ geschaffen werden, der im Ergebnis dafür sorgt, dass Mindestlöhne in angemessener Höhe festgelegt werden. Das scheint dann doch auf eine Reihe von verbindlichen Vorgaben im Sinne eines „Werkzeugkastens“ hinauszulaufen, aus dem die Mitgliedstaaten dann zwar wählen können, Untätigkeit jedoch keine Option ist. Als Instrument stellt die Kommission eine EU-Richtlinie oder eine Ratsempfehlung in den Raum. Vor allem eine Richtlinie würde „Mindestanforderungen“ und „Verfahrenspflichten“ enthalten.

Im Gegensatz zu den Arbeitgebern ist die Kommission sehr wohl der Ansicht, dass eine europäische Kompetenz zum Tätigwerden besteht. Sie stützt sich dabei auf Art. 153 Abs. 1 Buchstabe b des AEUV, wonach die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Arbeitsbedingungen unterstützt.

Das Konsultationspapier vom 3. Juni 2020, C(2020) 4570 final, ist hier zugänglich.