Kommissions-Entwurf der Länderspezifischen Empfehlungen
Kein „Business as usual“.
Dr. S-W – 06/2020
Ganz im
Zeichen der COVID-19 Krise stehen die diesjährigen Länderspezifischen
Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters. Vergleicht man die
Empfehlungen und ihre ausführlichen Erläuterungen mit denen der letzten Jahre, so
machen die sonst so üblichen Ermahnungen
zu nachhaltiger Eingrenzung öffentlicher Ausgaben einer Art Aufbau-Stimmung
Platz, in der eine massive Ausweitung von Sozialausgaben durchaus wohlwollend
betrachtet wird. Mit keinem Wort mehr wird z.B die Alterssicherung erwähnt – in
der Regel verbunden mit einem nachdrücklichen Appell zur deutlichen Erhöhung
des Rentenalters.
Die am 20.
Mai von der Kommission veröffentlichten Entwürfe sind eine reichhaltige Quelle eines
besseren Verständnisses der Betroffenheit der einzelnen Mitgliedstaaten, den
(auch sozialpolitisch) ergriffenen Gegenmaßnahmen und den Aussichten für die
weitere Zukunft. Naturgemäß handelt es sich hierbei nur um eine Momentaufnahme. Die anschließenden Empfehlungen sind
denkbar knapp. Sie berücksichtigen zwar die besonderen Umstände der einzelnen
Länder, bewegen sich aber überwiegend auf gleichen Wellen. Besonders deutlich
wird das an der jeweils ersten Empfehlung, die neben anderen Standard-Maßnahmen
zur COVID-19 Bewältigung eine Stärkung des Gesundheitssystems fordern.
Speziell
für Deutschland verweisen die Empfehlungen in ihrer Analyse erst einmal auf die Frühjahrsprognose
2020 der Kommission. Danach dürfte sich der gesamtstaatliche Haushaltssaldo
unter der Annahme einer unveränderten Politik auf -7,0% des BIP im Jahr 2020 und
auf -1,5% des BIP im Jahr 2021 belaufen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote
wird den Projektionen zufolge 2020 bei 75,6% des BIP und 2021 bei 71,8% des BIP
liegen. Das alles kann sich aber je nach weiterer Entwicklung der
Wirtschaftslage und einer sich noch „ändernden Politik“ deutlich nach unten
entwickeln.
Die Anzahl der Empfehlungen selbst fällt für Deutschland denkbar
knapp aus – zwei statt den wie in den meisten anderen Fällen vier. Auffällig
ist die Aufforderung, auf breiter Ebene die „digitalen öffentlichen Dienste“ zu
verbessern. Außer Deutschland hat nur noch Polen diese Botschaft in der
Klarheit mit auf den Weg bekommen.
Die
Länderspezifischen Empfehlungen für Deutschland finden Sie hier.
Einen guten
Überblick über alle an die Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlungen bietet eine
Studie des Europäischen Parlaments. Diese finden Sie hier.
Die
Empfehlungen enthalten gehäuft die Aufforderung die Leistungssysteme bei
Arbeitslosigkeit auszubauen, auch für atypisch Beschäftigte, und vor allem
durch Kurzarbeitsregeln.
Auf das Europäische Semester wird nun
gerade in Zeiten von COVID-19 viel zukommen. Im Rahmen des von der Kommission
vorgeschlagenen „Emergency Recovery Instruments” soll der Löwenanteil, nämlich
310 Mrd. Euro an Zuschüssen und 250 Mrd. Euro an Darlehen, für die neu geschaffene
„Recovery and Resilience Facility“ eingesetzt werden. Diese Haushaltslinie
dient dazu, die wirtschaftliche und soziale Widerstandsfähigkeit der besonders
betroffenen Mitgliedstaaten zu stärken und damit die Unterschiede zwischen den
Mitgliedstaaten zu verringern. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass die
Reformen und Investitionen dem grünen und digitalen Übergang gerecht werden.
Den Mitgliedstaaten soll aber auch geholfen werden, die wirtschaftlichen und
sozialen Herausforderungen zu bewältigen, u.a. auf den Feldern Soziales,
Beschäftigung und Gesundheit. Die Umsetzung würde nun im Rahmen des
Europäischen Semesters erfolgen und dieses erheblich aufwerten. Die
Mitgliedstaaten werden „National Recovery and Resilience Plans“ einreichen,
welche dann von der Kommission zu bewerten sind.