Mit Deutschland beginnt die neue Trio-Präsidentschaft
Die Corona-Krise hat das Programm des kommenden Präsidentschaftstrios stark mitbestimmt.
UM – 06/2020
Wenn Deutschland am 1. Juli den Vorsitz im Rat der
Europäischen Union übernimmt, dann ist dies zugleich der Startschuss für die
Neuauflage der Trio-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien. Das Dreierteam
hatte zuletzt in den Jahren 2007 und 2008 zusammengearbeitet. Das Programm
der Trio-Präsidentschaft beinhaltet die gemeinsamen Ziele, auf deren
Basis jedes der drei beteiligten Länder sein eigenes Sechsmonatsprogramm auflegt.
Damit soll der politische Prozess auf der europäischen Ebene verstetigt werden.
Programm für ein starkes Europa
Europa soll stärker, gerechter und nachhaltiger aus der
Corona-Pandemie hervorgehen - das ist das übergeordnete Ziel des
Dreiervorsitzes von Deutschland, Portugal und Slowenien im Rat der Europäischen
Union. Wie das aussehen soll, ist in einem 30-seitigen Programm für die
achtzehn Monate bis zum 31. Dezember 2021 niedergelegt. Die Corona-Krise hat
das Programm maßgeblich mitbestimmt.
Der Brexit ist noch nicht ausgehandelt
Die Aktionsbereiche zur Covid-19-Pandemie, zur Bewältigung
ihrer sozio-ökonomischen Folgen sowie zur Verbesserung des europäischen
Krisenmanagements wurden bereits in der Gemeinsamen
Erklärung der Mitglieder des Europäischen Rates vom 26. März 2020 festgelegt. Daneben sind die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021
bis 2027 zusammen mit dem neuen Wiederaufbaufonds sowie das künftige Verhältnis
der EU zum Vereinigten Königreich als Aufgaben gesetzt. Wichtige politische
Zielsetzungen der strategischen Agenda wie Klima („Green Deal“), Wettbewerbsfähigkeit,
Digitales, Soziales und Europas Rolle in der Welt werden adressiert.
Soziales wird großgeschrieben
Die Trio-Präsidentschaft soll auch eine soziale
Präsidentschaft werden und die drei Länder sind sich einig: Für die sozialen
Rechte der Menschen in Europa „kann mehr getan werden“. Vorschläge zur
Arbeitslosenrückversicherung und Mindesteinkommensregelungen seien wichtige
Schritte; auch um die Folgen der Pandemie abzufangen. COVID-19 rückt auch
Themen wie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitnehmerschutz bei
prekären, atypischen Beschäftigungsverhältnissen und flexible Arbeitsformen in
den Fokus. Die Künstliche Intelligenz soll für die weitere Entwicklung der
Arbeit eine wichtige Rolle spielen, in der Beschäftigungspolitik komme es auf
die Qualifikation der Arbeitskräfte an. In Zukunft seien vermehrt digitale
Kompetenzen gefordert. Die digitale Souveränität der EU müsse gestärkt werden.
Unabhängigkeit ja, Protektionismus nein
Europäische Souveränität wird auch in der
Gesundheitsversorgung gefordert. Das Eigenversorgungsprinzip sei mit Blick auf
die Verfügbarkeit von Arzneimitteln, Impfstoffen und Schutzausrüstungsartikeln
zu stärken, ebenso europaweite Strukturen wie zum Beispiel das Europäische
Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Auch hier
zeigen sich die programmatischen Spuren der Pandemie. Vielfach ist heute die
Rede von der strategischen Unabhängigkeit Europas. Die
Überlegungen zu mehr Unabhängigkeit auf den Weltmärkten, zu mehr Liefer- und
Versorgungssicherheit oder zum Zugriff auf einen COVID-19-Impfstoff sind
nachvollziehbar und richtig. Sie dürfen aber keinem Protektionismus Vorschub
leisten. Das wäre mit Blick auf die intensiven, wirtschaftlichen Verflechtungen mit den außereuropäischen
Handelspartnern nur schwer darstellbar.