Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt im Europäischen Parlament das Programm der deutschen Ratspräsidentschaft vor.

TR – 07/2020

Am 1. Juli 2020 übernahm Deutschland turnusgemäß für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union. Genau eine Woche später stellte Angela Merkel das Programm für die nächsten sechs Monate im Europäischen Parlament vor, das vom 8. bis 10. Juli in Brüssel tagte. Gleich zu Beginn nannte sie die Schwerpunkte: „Mir sind fünf Themen in dieser Zeit besonders wichtig: unsere Grundrechte, der Zusammenhalt, der Klimaschutz, die Digitalisierung und Europas Verantwortung in der Welt.“

Grundrechte müssen garantiert bleiben

Menschenrechte und Bürgerrechte seien das wertvollste Gut in Europa, von Generationen hart erkämpft. Die Pandemie bedinge die vorübergehende Einschränkung elementarer Grundrechte, dürfe jedoch kein Vorwand für die Aushebelung demokratischer Prinzipien sein. Die Länder Europas hätten im Verlauf der Geschichte auf verschiedene Weise für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gekämpft, die errungenen Grundrechte seien aber auch der gemeinsame Nenner: „die Unantastbarkeit der menschlichen Würde, die Freiheit zur individuellen persönlichen, politischen und gesellschaftlichen Entfaltung, der Schutz vor Diskriminierung und Missachtung, nicht zuletzt die Gleichberechtigung“. 

 „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“

Entsprechend diesem Motto der deutschen Ratspräsidentschaft müssten zusammen Lösungen gefunden werden. Solidarität sei eine nachhaltige Investition und werde sich lohnen. Dem Europäischen Parlament falle hier eine wichtige Rolle als Vermittler und Übersetzer in den 27 Mitgliedstaaten zu. Für den Zusammenhalt sei soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit maßgeblich, für die jungen Menschen und Kinder die Umsetzung der Jugendgarantie und eine Jugendarbeitsagenda. Merkel ergänzte: „Ich bin davon überzeugt, dass jeder in dieser Krise zur außergewöhnlichen Solidarität bereit ist. Deutschland ist es.“

 Europa als Vorreiter beim Klimaschutz

Das im Januar 2020 von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellte Klimaschutzprogramm müsse nun umgesetzt werden, indem die Klimaneutralität Europas bis 2050 rechtlich festgeschrieben werde, zunächst 50 bis 55 Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030. Europa müsse mit gutem Beispiel vorangehen, um den Planeten am Leben zu erhalten.

Digitalisierung als Zukunftsmodell

Gerade in der letzten Zeit sei die Abhängigkeit Europas in diesem Bereich hinsichtlich Technologie und Dienstleistungen augenscheinlich geworden. Europa müsse digitale Souveränität gewinnen, vor allem im Hinblick auf Infrastruktur, künstliche Intelligenz und Quantencomputing. Die Demokratie benötige einen wirkungsvollen Schutz vor Cyberbedrohungen und Desinformation, damit Lügen und Populismus keine Chance hätten.

Europas Verantwortung in der Welt

Hier gehe es im nächsten halben Jahr insbesondere um die folgenden vier Schwerpunkte: zunächst um die Ausgestaltung eines Abkommens mit dem Vereinigten Königreich, das die Europäische Union verlassen habe, alternativ um die Vorbereitung für den Fall des Nichtzustandekommens einer Vereinbarung; zweitens um die Beitrittskonferenz mit Nordmazedonien, eventuell auch Albanien; drittens um den EU-Afrika-Gipfel auch zur Lösung von Migrations- und Asylfragen und viertens die Zusammenarbeit mit China, gekennzeichnet durch Handelsverflechtungen bei abweichenden gesellschaftspolitischen Vorstellungen.

Die Bundeskanzlerin bekannte sich zu einer Stärkung der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Unabhängigkeit im Gesundheitssektor. Sie schloss mit der Botschaft, „dass dieses Europa zu Großem fähig ist, wenn wir einander beistehen und zusammenhalten“.

 

Volltext der Rede von Bundeskanzlerin Merkel vor dem Europäischen Parlament am 8. Juli 2020

Video der Rede von Bundeskanzlerin Merkel vor dem Europäischen Parlament am 8. Juli 2020