Eine stärkere Sensibilisierung und Priorisierung der Prävention sind notwendig.

SW – 08/2020

Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) in Auftrag gegebenen Studie, die sich mit Expositionen gegenüber biologischen Stoffen am Arbeitsplatz und den damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen befasst.

Bewusstsein für einen systematischen Präventionsansatz

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit kein systematischer Ansatz zur Prävention der arbeitsbedingten Exposition gegenüber biologischen Stoffen und zur Anerkennung der damit verbundenen Gesundheitsprobleme besteht. Zwar gebe es einen rechtlichen Rahmen, um Menschen am Arbeitsplatz vor der Exposition gegenüber schädlichen biologischen Arbeitsstoffen zu schützen. Der im europäischen Rechtsrahmen verfolgte Präventionsansatz sieht eine Hierarchie von Kontrollmaßnahmen vor, bei der vorrangig das Risiko vollständig beseitigt und nur wo dies nicht möglich ist, kollektive organisatorische oder technische Maßnahmen ergriffen werden sollen. Individuelle Maßnahmen, wie zum Beispiel persönliche Schutzausrüstung, sind lediglich als „letztes Mittel“ vorgesehen.

Das Bewusstsein für diesen Rechtsrahmen müsse aber geschärft werden. Sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende müssten für die Bedeutung der Anwendung kollektiver, und nicht nur persönlicher Präventionsmaßnahmen sensibilisiert werden.

Um Risiken strukturiert angehen zu können, sieht die Studie es für notwendig an, Daten über Expositionen und die daraus resultierenden Gesundheitsprobleme zu bewerten. Auch die Bereitstellung von mehr Schulungen und Anleitungen für Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten dazu beitragen, eine systematischere Prävention sicherzustellen.

Besonders betroffene Branchen und Personengruppen

Für die folgenden fünf Sektoren identifiziert die Studie ein besonderes Expositionsrisiko: in der Gesundheitsvorsorge, bei tierbezogenen Berufen, bei der Abfall- und Abwasserbehandlung, in der Landwirtschaft und bei Berufen, die Reisen oder Kontakt mit Reisenden beinhalten. In all diesen Sektoren, mit Ausnahme des Gesundheitswesens und der Laboratorien, bestehe kein Bewusstsein für die Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen.

Darüber hinaus seien Gruppen wie Jugendliche, Reinigungskräfte und Wartungsarbeiter, Wanderarbeiter und schwangere Frauen besonders gefährdet. Die Verbesserung des Zugangs zu Informationen und die Umsetzung spezifischer Maßnahmen zum Schutz solcher Gruppen seien daher von wesentlicher Bedeutung.

Hintergrund

Die Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen ist weit verbreitet und mit einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen verbunden, darunter Infektionskrankheiten, Allergien und Krebs. Weltweit sterben nach Einschätzung der EU-OSHA jährlich etwa 320.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an arbeitsbedingten Infektionskrankheiten, davon 5.000 in der Europäischen Union.

Die Studie wurde zwar vor der COVID-19-Pandemie durchgeführt, angesichts der aktuellen Lage sind die Ergebnisse der Untersuchung aber auch insofern von hoher Relevanz und unterstreichen die Notwendigkeit, Arbeitnehmende vor der Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen zu schützen.

Neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel

So hat zum Beispiel das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel freigegeben. Sie gilt für alle Wirtschaftsbereiche und soll für den Zeitraum der COVID-19-Pandemie die zusätzlich erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen für den betrieblichen Infektionsschutz und die im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (siehe Bericht 4/2020) beschriebenen allgemeinen Maßnahmen konkretisieren.

Ziel ist es, das Infektionsrisiko für Beschäftigte zu senken und Neuinfektionen im betrieblichen Alltag zu verhindern. Betriebe, die die in der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel vorgeschlagenen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen umsetzen, können davon ausgehen, dass sie rechtssicher handeln. Für die Aufsichtsbehörden der Länder bildet sie eine einheitliche Grundlage, um die Schutzmaßnahmen in den Betrieben zu beurteilen.