„Next Generation EU“: Parlament macht Weg frei für Corona-Aufbauplan
Eigenmittelbeschluss ermöglicht weitere Einnahmequellen.
JP – 09/2020
Die Führung der EU hatte sich auf der Sondertagung des Europäischen
Rates von 17. bis 21. Juli 2020 auf ein umfassendes Paket von insgesamt 1 824,3
Mrd. € geeinigt, das den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sowie außerordentliche
Aufbaumaßnahmen im Rahmen des Instruments „Next Generation EU“ in Höhe von 750
Milliarden Euro beinhaltet. Mit seiner legislativen Stellungnahme zum
Eigenmittelbeschluss am 16. September 2020, die mit 455 Stimmen bei 146
Gegenstimmen und 88 Enthaltungen angenommen wurde, hat das Europäische
Parlament nun grünes Licht für den Corona-Aufbauplan gegeben.
Der Eigenmittelbeschluss ist die Rechtsgrundlage für die Einnahmequellen
des EU-Haushalts. Die Entscheidung um Anpassungen der Eigenmittel wurde
notwendig, um neue Einnahmequellen für den EU-Haushalt zu erschließen, damit
zumindest die Kosten des Aufbauplans gedeckt werden können. Der neue Eigenmittelbeschluss
enthält zudem eine Ermächtigung der Kommission, Mittel an den Kapitalmärkten
aufzunehmen. Über den eigentlichen Beschluss hinausgehend fordert das Parlament
in seiner Stellungnahme neben einem rechtsverbindlichen Zeitplan für die Einführung
dieser neuen Eigenmittel eine nachhaltige Finanzierung des Aufbauplans, die ansonsten
auf Kosten künftiger Generationen gehen könne.
Möglichkeiten für zusätzliche Eigenmittel
In Zusammenhang mit der Erschließung zusätzlicher Eigenmittel wurden als
Handlungsoptionen die Einführung von Steuern für multinationale Konzerne ins
Spiel gebracht, insbesondere wenn diese in hohem Maße für Umweltbelastungen
verantwortlich sind. Dementsprechend äußerte sich Valérie Hayer (RENEW, FR),
Ko-Berichterstatterin: „Wir werden dafür sorgen, dass IT-Riesen,
Steuervermeider, große Umweltverschmutzer aus Drittstaaten und andere, die von
unserem Binnenmarkt profitieren, ohne einen gerechten Beitrag zu unserem
Wohlstand und dem Schutz unserer Umwelt zu leisten, ihre Schulden begleichen.“
Vertragsrechtliches Neuland
Unabhängig von der prinzipiellen Zulässigkeit einer EU-Steuer ist unbestritten,
dass das aktuelle Vertragsrecht eine Steuerkompetenz bisher nicht mit
beinhaltet. Auch bei der Kreditermächtigung gegenüber der Kommission handelt es
sich um ein neues Instrument. Allerdings gibt es bereits EU-Anleihen, deren
Volumen jedoch bisher stark begrenzt ist und deren Einnahmen wiederum für
Kredite – und nicht für verlorene Zuschüsse – eingesetzt werden.
Weitere Schritte bis zur Umsetzung
Nach der erfolgten Zustimmung zum Eigenmittelbeschluss durch das
Parlament kann der Rat der EU diesen nun zeitnah verabschieden. Damit der
Aufbauplan so bald wie möglich anlaufen kann, wird der Eigenmittelbeschluss im
Anschluss an die Verabschiedung durch den Rat den Parlamenten der 27
Mitgliedstaaten zur Ratifizierung nach den Vorgaben des jeweiligen nationalen
Verfassungsrechts vorgelegt.
Effekte für die Sozialversicherung
„Next
Generation EU“ - die Ratifizierung des Eigenmittelbeschluss durch die
Mitgliedsstaaten vorausgesetzt - kann dabei mittelfristig positive Auswirkungen
für die Sozialversicherung erzielen. Durch die Anwendung dieses finanziell
kraftvollen Instruments und eine entsprechende Stärkung und Stabilisierung des
Binnenmarktes können makroökonomische Effekte insbesondere zu einer Stützung
der Einnahmenseite für die Sozialkassen führen. Die Aufstockung wichtiger
EU-Programme zur Beschleunigung des ökologischen und digitalen Wandels könnte
über indirekte Effekte, bspw. durch eine Reduzierung gesundheitlicher Belastungen,
langfristig auch die Ausgabenseite entlasten.