Die ungewisse Zukunft von Europa
Gesamtwirtschaftliche Erholung erfordert nun Zusammenhalt.
IF – 09/2020
Aufgrund der COVID-19-Pandemie wird die Europäische Union
vor einem großen wirtschaftlichen Wachstumsrückgang stehen. Die tatsächlichen
Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten sind monetär noch nicht abschätzbar. Um einen
tiefgreifenden sozialen Notstand im Euroraum zu verhindern, ist neben dem wirtschaftlichen Aufbau auch eine Sozialpolitik notwendig, die den Menschen Sicherheit gibt.
Gerade im Bereich der Zukunft der Arbeit wird sich durch
die Pandemie in der Arbeitswelt mehr verändern, als in den letzten Jahren angedacht war. Die Auseinandersetzung
der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit neuen Formen
der Arbeit und aufkommende Zukunftsängste sind allgegenwärtig. Die Politik versucht rasch Lösungen zu schaffen, um den erhöhten Belastungsdruck auf die Arbeitswelt abzuschwächen.
Neue Arbeitswelt mit einem europäischen Mindestlohn?
Die Flexibilisierung der Arbeit erfordert viel
Durchhaltevermögen und Energie von beiden Seiten, der Arbeitgeber und den
Belegschaften. Es braucht eine Garantie, dass so viele Arbeitsplätze wie
möglich für die Zukunft gesichert werden sowie eine verbindliche Aussicht auf eine
adäquate und verlässliche Entlohnung. Die Debatte eines europäischen Mindestlohns
wird im Herbst intensiv an Fahrt aufnehmen, da die Konsultationsphase
der Sozialpartner Anfang September beendet wurde.
Nächste Schritte sind entweder zügige Verhandlungen zwischen den
Sozialpartnern im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung eines Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gemäß Artikel 155 oder die Vorlage eines
Vorschlags durch die Europäische Kommission. Der mögliche
Vorschlag der Kommission könnte Ende Oktober veröffentlicht werden. Italien, Spanien und Portugal plädieren bereits für eine EU-Initiative zu einem Mindestlohnrahmen. Jetzt liegt es an der deutschen
Ratspräsidentschaft Bewegung in die Debatte unter den 27 Mitgliedstaaten anzustoßen.
Der Wille des Wiederaufbaus
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind zunehmend gefordert
sich den neuen Gegebenheiten anzupassen und mit dem sich ständig verändernden Arbeitsumfeld
Schritt zu halten. Darum muss die Politik auch rasch reagieren, um einerseits
den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft zu gewährleisten und anderseits
die Bürgerinnen und Bürger nicht zu überfordern.
Somit wird Nicolas Schmit, dem Kommissar für Beschäftigung
und Soziales, eine wichtige Rolle im Kollegium der Europäischen Kommission
zuteil. Er ist Dreh- und Angelpunkt, dass soziale Fragen und deren Berücksichtigung
in allen Politikbereichen nicht zu kurz kommen. Schmit bekräftigt immer wieder,
dass eine Zukunft Europas nicht mit niedrigem Entgelt oder unsicheren Arbeitsplätzen
weiterentwickelt werden kann. Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist nun
gefragt, um eine nachhaltige soziale Krise in der Europäischen Union zu
verhindern.
Eine Frage des Geldes
Eine
Einigung über den 750 Milliarden Euro schweren Recovery Fund der Kommission zwischen
den Institutionen zu erzielen, steht ganz oben auf der Tagesordnung der ungelösten
Aufgaben. Das
Parlament will erheblich nachbessern. Trotz der Bemühungen der EU-Länder ihre Volkswirtschaften zu
unterstützen, ist es gerade in dieser unsicheren Zeit nicht zielführend
sich nur auf
nationale Pläne zu verlassen. Es braucht einen gemeinsamen
europäischen Ansatz, indem sich niemand übervorteilt oder ausgenutzt fühlt.
Diese Ängste sind in dieser Phase der Krise nicht angebracht.
Europäische Investitionen sind Investitionen in die Zukunft
Europas. Mehr denn je muss der gemeinsame europäische Gedanke im Mittelpunkt
stehen. Der Herbst wird politisch spannend und die Rolle von Deutschland als
Vermittler ist gefragter denn je.