Niedriges Einkommen: Eingeschränkter Zugang zu essenziellen Dienstleistungen?
Synthesebericht des ESPN veröffentlicht.
JS – 09/2020
Grundsatz 20 der Europäischen
Säule Sozialer Rechte gibt vor, dass jede Person das Recht auf den Zugang
zu essenziellen Dienstleistungen wie Wasser-, Sanitär- und Energieversorgung,
Verkehr, Finanzdienste und digitale Kommunikation haben soll.
Der Synthesebericht des Europäischen Netzwerks für Sozialpolitik (ESPN)
(bisher nur auf Englisch verfügbar) betrachtet den Zugang zu diesen
essenziellen Dienstleistungen für Menschen mit geringem Einkommen in den 27
EU-Mitgliedstaaten sowie 8 weiteren europäischen Ländern. Der Bericht
untersucht die Maßnahmen, politischen Rahmenbedingungen und Neuerungen, die die
Länder zur Unterstützung dieser Personengruppen eingeführt haben.
Die Datenerhebung für den Bericht erfolgte vor der
COVID-19-Pandemie (November 2019 bis Februar 2020). Der Bericht betont,
dass die sozioökonomischen Folgen der Pandemie nachdrücklich bekräftigen, dass
der menschenrechtskonforme Zugang zu essenziellen Dienstleistungen gewährleistet
sein muss.
Wesentliche Erkenntnisse des Berichts
Die Mehrheit der Länder setzt für Zugang zu Wasser- und
Sanitärdiensten Maßnahmen auf regionaler und/oder lokaler Ebene ein. Ermäßigte
Gebühren und Geldleistungen sind dabei die häufigsten Unterstützungsmaßnahmen. Die
Studie zeigt jedoch, dass das Menschenrecht auf Wasser nur in 11 der 27
Mitgliedstaaten und in Großbritannien vollumfänglich geschützt ist.
Hinsichtlich des Zugangs zu Energie wird angemerkt, dass dieser
insgesamt in einem kontroversen Gesamtkontext steht: steigende Energiepreise oder Zugangsbeschränkungen wie Instabilität der Versorgung oder weit
verbreitete illegale Nutzung werden genannt.
Maßnahmen, um den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erschwinglich
zu machen, richten sich oft vor allem an Gruppen wie ältere Menschen,
Studierende oder Menschen mit Behinderung. Diese Gruppen sind zwar auch oft
einkommensschwach. Die Studie fordert hingegen, dass Menschen mit niedrigem
Einkommen aus anderen Gründen auch berücksichtigt werden.
Zur Schließung der digitalen Kluft fordert die Studie die Verbesserung
der Konnektivitätsinfrastrukturen (z. B. durch Bereitstellung eines
Internetanschlusses in öffentlichen Bibliotheken) und die Verbesserung der
digitalen Fähigkeiten der Menschen.
Die EU-Richtlinie
2014/92/EU sieht vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf ein
eigenes Bankkonto haben. Dies wurde in den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt. Die
Studie fordert jedoch weitere Anstrengungen, damit die Menschen hiervon
tatsächlich Gebrauch machen.
Der Bericht sieht die Bestärkung des Rechts auf Zugang zu diesen
Dienstleistungen als einen entscheidenden Aspekt der sozialen Inklusion und als
wesentlichen Bestandteil der sozialen Gerechtigkeit in der gesamten
Europäischen Union.
Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte
Der Synthesebericht erfolgt zur richtigen Zeit: Die
Europäische Kommission erarbeitet derzeit einen Aktionsplan zur Umsetzung der
Europäischen Säule Sozialer Rechte. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die
Erkenntnisse des Syntheseberichts in diesen Aktionsplan Eingang finden.