Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten
Wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen.
SW – 09/2020
In Zeiten der Corona-Pandemie haben Telearbeit und mobiles
Arbeiten eine neue Dimension angenommen. Unternehmen haben diese Formen der Arbeit
erheblich ausgeweitet, um in Pandemiezeiten die Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu
gewährleisten und gleichzeitig den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Ihre Bedeutung für die Sicherung von Arbeitsplätzen und Produktion hatte die Europäische
Kommission in ihrer Mitteilung zu den länderspezifischen Empfehlungen im Mai 2020 hervorgehoben.
Homeoffice-Gesetz
Telearbeit und mobiles Arbeiten können auch in der
Gestaltung des Alltags viele Vorteile mit sich bringen, zum Beispiel kürzere
Arbeitswege, eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, weniger
Pendelverkehr und dadurch positive Auswirkungen auf die Umwelt. So sehr das
Arbeiten im Homeoffice hierzu wichtige Beiträge leisten kann, so sehr birgt es jedoch
auch Risiken, unter anderem im Hinblick auf Prävention und Arbeitsschutz. Mangelnde
körperliche Bewegung, Arbeiten in Isolation und verschwimmende Grenzen zwischen
bezahlter Arbeit und Privatleben sind hierfür nur einige Beispiele.
Um die Freiheiten des mobilen Arbeitens im Homeoffice nutzen
zu können, gleichzeitig aber vor den Risiken zu schützen, hatte der
Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, im April angekündigt, im
Herbst einen Gesetzesentwurf für ein Homeoffice-Gesetz vorzulegen. Mit diesem möchte er Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer unter anderem vor einer vollständigen Entgrenzung der Arbeit
ins Privatleben schützen und verhindern, dass diese rund um die Uhr für ihre Arbeitgeber erreichbar sein müssen.
Recht auf Abschalten
Auch auf europäischer Ebene werden die Risiken einer Entgrenzung
von Arbeits- und Privatleben diskutiert. Der zuständige Ausschuss „Beschäftigung
und Soziale Angelegenheiten“ des Europäischen Parlaments (EMPL Ausschuss) arbeitet
an einem entsprechenden Entwurf
eines Berichtes mit Empfehlungen an die Kommission (2019/2181/INL), in dem
er eine Richtlinie fordert, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem
Recht auf Abschalten Gebrauch machen können (siehe hierzu Bericht
8/2020).
Die Europäische Kommission scheint aufgrund der bereits
bestehenden Regelungen eher zurückhaltend. Auf die Anfrage
eines Abgeordneten des Europäischen Parlamentes zu einem europäischen Rechtsrahmen
für Telearbeit hat sie auf die Rahmenvereinbarung der Sozialpartner zur Telearbeit 2002 verwiesen, die einen allgemeinen Rahmen der Arbeitsbedingungen für Telearbeit
auf europäischer Ebene bilde. Ferner hätten die europäischen Sozialpartner im
Juni 2020 eine neue Rahmenvereinbarung zur Digitalisierung unterzeichnet. Das Abkommen, das auch die Bereitstellung von Anleitungen und
Informationen zur Einhaltung der Arbeitszeitregeln, der Telearbeit und der
Regeln für mobiles Arbeiten enthalte, schließe alle Arbeitgeber und ihre Beschäftigten
im öffentlichen und privaten Sektor sowie alle wirtschaftlichen Aktivitäten ein.
Beide Rahmenvereinbarungen sind sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene
unverbindlich. Die Umsetzung soll durch die Mitglieder der unterzeichnenden
Parteien entsprechend den für die Sozialpartner spezifischen nationalen
Verfahren und Gepflogenheiten erfolgen.
Im Hinblick auf die Arbeitszeit verweist die Europäische
Kommission in ihrer Antwort auf die Richtlinie 2003/88/EG zur Regelung
bestimmter Aspekte der Arbeitszeitorganisation, die für alle Arten von Arbeit gelte,
einschließlich der Telearbeit. Es liege in der Verantwortung jedes
Mitgliedstaats, sicherzustellen, dass die Gesetze, Vorschriften und Praktiken,
die diese Richtlinie umsetzen, eingehalten würden.
In einer Aussprache des EMPL Ausschusses am 10. September
2020 zum Thema äußerte sich der Vertreter der Europäische Kommission ähnlich.
Er hob die Rolle der Sozialpartner hervor, die eine Schlüsselrolle spielten, und
verwies darauf, dass bereits ein umfassender Rechtsrahmen bestehe. All dies
wirke sich auf das Thema aus, sodass alle weiteren Rechtsvorschriften sich in
diesen Rahmen einfügen müssten. Abzuwarten bleibt, ob die Europäische Kommission
der Aufforderung des Europäischen Parlamentes folgen und einen Vorschlag für
ein Gesetz über das Recht auf Abschalten entsprechend dessen Empfehlungen vorlegen
wird.