Bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln darf ein Mitgliedstaat die Werbemöglichkeiten von Apotheken begrenzen.

UM – 10/2020

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am 1. Oktober in einem Vorabentscheidungsverfahren erneut zu einem Arzneimittelthema Stellung bezogen. Im Rechtsstreit zwischen einer niederländischen Apotheke und französischen Aopthekern ging es um die Zulässigkeit einer groß angelegten Werbekampagne für eine Website. Über diese vertreibt die niederländische Apotheke nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel an französische Kunden. Der vorlegende Berufungsgerichtshof in Paris wollte wissen, ob der Apotheke verboten werden kann, mit berufsunwürdigen Mitteln Werbung zu betreiben, kostenpflichtige Links in Vergleichsportale zu setzen oder ob ihnen die Anwendung heimischer Leitlinien vorgeschrieben werden kann. Mit letzteren sollte im konkreten Fall die Kundschaft vor der ersten Bestellung angehalten werden, einen Anamnesefragebogen im Bestelltool auszufüllen. Den rechtlichen Hintergrund der Frage bilden die Humanarzneimittelrichtlinie und die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr.

Werbung gehört zum Online-Verkauf

Die Werbetätigkeit sei – so das Luxemburger Gericht – ein untrennbarer Bestandteil des Online-Verkaufs. Einschränkungen könnten allenfalls durch das Allgemeininteresse, zum Beispiel dem Schutz der Gesundheit oder der Würde eines reglementierten Berufs, gerechtfertigt sein. Der französische Berufungsgerichtshof müsse prüfen, ob das in Rede stehende Verbot dazu führt, dass der niederländische Diensteanbieter daran gehindert wird, außerhalb seiner Apotheke überhaupt irgendwelche Werbung zu betreiben. Wenn ja, ginge das Verbot zu weit.

Im Einzelnen urteilte das Gericht wie folgt:


1. Ein Mitgliedstaat darf Apotheken nicht verbieten, kostenpflichtige Links in Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen zu setzen. Dies wäre nur dann zulässig, wenn der Nachweis erbracht würde, dass eine solche Regelung dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dient und nicht über das dazu erforderliche Maß hinausgeht.


2. Vor der ersten Bestellung dürfe aber das Ausfüllen eines Online-Anamnesefragebogens verlangt werden. Die in Rede stehende französische Regelung diene der öffentlichen Gesundheit und gehe nicht über das Erforderliche hinaus.


3. Ein Verbot von Rabatten auf den Gesamtpreis der Bestellung stehe nicht grundsätzlich der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr entgegen. Es müsse aber hinreichend bestimmt sein. Auch dies müsse das französische Gericht prüfen. 

Urteil ist keine Blaupause für Rx-Arzneimittel

Die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V begrüßte das Urteil in einem ersten kurzen Statement. Dieses stütze den Weg, den der deutsche Gesetzgeber mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz eingeschlagen habe. Ein zentraler Regelungsvorschlag sieht dort vor, Online-Apotheken, die ihren Sitz im Ausland haben, zu verbieten, ihren Kunden einen Bonus auf den Arzneimitteleinkauf einzuräumen. Allerdings soll sich diese Regelung auf verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx-Arzneimittel) beziehen. Auch in Deutschland werden hier europarechtliche Risiken gesehen. Vor dem Hintergrund eines anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Europäische Kommission um ihre rechtliche Einschätzung des Gesetzgebungsvorschlages in diesem Punkt gebeten und zur Untermauerung neue Argumente in Form einer Studie vorgelegt. In einem Brief vom 2. Oktober bleibt der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Thierry Breton (DG GROW) aber eine Antwort schuldig. Und die Zeit drängt. Planmäßig soll das Gesetzgebungsverfahren zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz in Kürze abgeschlossen werden.

Hintergrund

Der EuGH hatte am 19. Oktober 2016 entschieden, dass einheitliche Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die über den Versandhandel aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) in Deutschland abgegeben werden, eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt darstelle. Auch wenn Preisverordnungen unterschiedslos für inländische Apotheken und für in anderen Mitgliedsstaaten niedergelassene Apotheken gelten, würden sie für Apotheken außerhalb Deutschlands ein größeres Hindernis darstellen, da der Preiswettbewerb für Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sei als für die traditionellen Apotheken vor Ort. Auf dieses zentrale Argument wurde auch noch einmal in einer Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 7. März 2019 im Rahmen des anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2013/4075 ausdrücklich hingewiesen.