Deutsche Ratspräsidentschaft diskutiert nächste Schritte, Deutschland will vorangehen

Dr. S-W – 12/2020

Am 3. Dezember fand unter dem Vorsitz von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine informelle Videokonferenz der europäischen Arbeits- und Sozialminister statt. Auf der Tagesordnung stand unter anderem das Thema „Faire Arbeitsbedingungen und Sozialschutz in der Plattform-Ökonomie“. Vor dem Hintergrund der Ankündigung eines einschlägigen Rechtsakts durch die EU-Kommission wurden die Ministerinnen und Minister gebeten, sich zu zwei Fragen zu äußern:


  1. Welche Maßnahmen könnten am besten die Herausforderungen bezüglich der Arbeitsbedingungen in der Plattform-Wirtschaft bewältigen? Wo sind die Prioritäten?
  2. Welche Rolle sollte die EU hierbei spielen?

Etliche Ländervertreter berichteten über konkrete Maßnahmen in der Vergangenheit und Pläne für die Zukunft, letzteres zum Beispiel Spanien. Auch wenn insgesamt zugestanden wurde, dass die Feststellung des Status von Pattformarbeit als abhängige oder selbständige Beschäftigung oft problematisch ist, bestand dennoch Einigkeit, dass die Schaffung eines neuen Status speziell für Plattformarbeit nicht wegweisend ist. Vielmehr gehe es darum, den Plattformarbeitern unabhängig vom Status einen angemessenen Schutz zukommen zu, lassen. Von neuen europäischen Rechtssetzungsinitiativen waren die meisten Ländervertreter (mit Ausnahme Finnlands und Luxemburgs) nicht wirklich überzeugt; viel erwartet man sich dagegen von der neu gegründeten Europäischen Arbeitsbehörde und von einem europäischen Erfahrungsaustausch.

Europäisches Parlament nicht untätig

Auch das Europäische Parlament bleibt nicht untätig und plant zum Januar/Februar 2021 einen Berichtsentwurf zum Thema „faire Arbeitsbedingungen und Sozialschutz für Plattformarbeit“ (Berichterstatterin: Sylvie Brunet, Renew Europe, FR). Zur Vorbereitung hat der Beschäftigungs- und Sozialausschuss am 30. November eine Anhörung durchgeführt. Einigkeit bestand unter den angehörten Experten darin, dass Plattformtätige dasselbe Niveau an Sozialschutz haben sollten wie angestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch der angehörte Vertreter der Plattform „WOLT“ (Lebensmittel-Lieferdienst) unterstützte einen eigenständigen Beitrag von Plattformbetreibern zur Abführung von Steuern und Sozialabgaben – solange das nicht dazu führe, dass aus Selbständigen „Beschäftigte“ würden. Ferner bestätigte sich die allgemeine Auffassung, wonach die Schaffung eines „Dritten Status“ speziell für Plattformarbeitende – neben dem des Arbeitnehmers oder Selbständigen - wenig hilfreich ist. Im Rahmen der Anhörung berichtete die sozialdemokratische Abgeordnete Agnes Jongerius (NL), die größte niederländische Bank schätze das Potenzial von Plattformarbeit (als Folge der globalen Umstrukturierung von Arbeit) auf bis zu 2 Millionen – bei einer Arbeitsbevölkerung von 7 Millionen.

Sozialkommissar Nicolas Schmit erläuterte bei verschiedenen Gelegenheiten, es sei zu früh, jetzt schon Näheres zur geplanten legislativen Initiative der EU-Kommission zu fairen Arbeits- und Sozialbedingungen für Plattformarbeit mitzuteilen. Erst einmal würden die Sozialpartner angehört.

Eckpunkte für Faire Arbeit in der Plattformökonomie

Inzwischen hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am 27. November für Deutschland „Eckpunkte für Faire Arbeit in der Plattformökonomie“ vorgelegt.


Danach sollen soloselbständige Plattformtätige in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Einen Teil der Beiträge sollen die Plattformbetreiber leisten. Auch Beiträge der Plattformen für die Krankenversicherung sollen geprüft werden, ebenso Beiträge für die Unfallversicherung. Ferner möchte der Minister im Fall von Plattformarbeit bis zu einem gewissen Grad die Beweislast umkehren: Liegen Anhaltspunkte für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vor bzw. werden sie behauptet, muss der Plattformbetreiber das Gegenteil beweisen. Darüber hinaus sollen die soloselbständigen Plattformtätigen solche Sozialleistungen erhalten, die üblicherweise über das Arbeitsrecht geregelt werden: Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Mutterschaftsfall sowie Urlaubsgeld. Vergleichbares gilt für Kündigungsregeln.