Öffentliche Hand soll auch personenbezogene Daten freizügiger zur Verfügung stellen
Kommission schlägt Vorschlag zur „Daten-Governance“ vor.
Dr. S-W – 12/2020
Am 25. November
2020 hat die Europäische Kommission einen Verordnungs-Vorschlag über „Europäische
Daten-Governance“ (Daten-Governance-Gesetz)
vorgelegt, COM(2020) 767 final. Der Umgang mit Sozialdaten steht nicht im
Vordergrund bzw. wird nicht direkt erwähnt. Dennoch wird das Gesetz
unmittelbare Auswirkungen auch auf die Träger der Sozialversicherung haben. Denn
eines der aus Sicht der Sozialversicherung wichtigsten Ziele besteht darin,
bei öffentlichen Trägern vorhandene Daten einem breiten Kreis möglicher
Interessenten zugänglich zu machen. Dies wird unterstützt durch Strukturen zu
einer Förderung freiwilliger „Datenspende“, vor allem persönlicher Daten von
Privatpersonen. Dabei soll ihre (Wieder-) Nutzung „gemeinnützigen“ Zwecken
dienen. Schließlich führt die Verordnung die etwas sperrige Konstruktion
eines (durchaus auch kommerziell handelnden) „Datenmittlers“ ein, eine Art
Datenmakler, der dieses Geschäft streng von anderen Geschäften trennen
müsste.
Der Entwurf
behandelt geschützte – d.h. vor allem nicht-anonymisierte personenbezogene
Daten. Insofern ergänzt er die bereits in Kraft getretene, aber noch nicht in
allen Mitgliedstaaten implementierte „Open-Data“ Richtlinie aus dem Jahr
2019. Diese befasst sich nur mit nicht-geschützten, eben „offenen“ Daten.
Gleichzeitig ist er nur der erste einer ganzen Reihe von
EU-Rechtsetzungsinitiativen, die bereits in der Europäischen Datenstrategie
2020 angekündigt wurden. Hierzu zählt die Errichtung mehrerer vertikaler
europäischer „Datenräume“, beginnend mit dem Gesundheitssektor. Es folgen
weitere, unter anderem auch der Sektor der öffentlichen Verwaltung. Es werden
aber weitere horizontale Akte folgen, so Mitte Dezember das „Digital Services
Act – Digital Markets Act Package“ und im dritten Quartal 2021 der „Data
Act“. Während das zuerst genannte Paket marktverzerrende Praktiken im Visier
hat, geht es im Data-Act um die Klärung der Rechte der Daten-Nutzer (so
Thierry Breton im Rahmen der Ministerkonferenz
„Telekommunikation“).
Einer der Pfeiler
des Verordnungsvorschlags besteht darin, dass Weitergabe und Weiterverwendung
öffentlicher Daten grundsätzlich nicht exklusiv, d.h. an ausgewählte
Empfänger, erfolgen darf. Vielmehr müssen alle möglichen Interessenten
bedacht werden: Entwickler von Big-Data und Maschinenlernen-gestützter
künstlicher Intelligenz, Produkt- und Dienstleistungsentwickler im weitesten
Sinne, Unternehmen und Forschungseinrichtungen, und vor allem: Vorgesehen ist
eine Weiterverwendung sowohl für nichtkommerzielle wie für kommerzielle
Zwecke.
Dieser Pfeiler
steht in engem Zusammenhang mit einem weiteren: der Erleichterung der
„Datenspende“ oder auch des „Datenaltruismus“ - die freiwillige
Datenbereitstellung zum Wohl der Allgemeinheit. Das sind große Worte – im
Kern geht es wohl eher um eine Erleichterung der Prozeduren bei der
Einwilligung der betroffenen Menschen in die Weitergabe ihrer Daten. Ein noch
zu entwickelndes europäischen Einwilligungsformular für Datenaltruismus soll
der Spendenbereitschaft auf die Sprünge helfen. Und hier springt auch der
Funke des Datenaltruismus auf die öffentliche Verwaltung über: Es ist
absehbar, dass Behörden den Bürgern eine solche vorformulierte Erklärung
automatisch vorlegen (müssen), so dass diese die Einwilligung z.B. per klick
geben können. Ein besonders großes Potenzial des Datenaltruismus wird u.a.
auf den Gebieten der Gesundheitsversorgung und der besseren Erbringung
öffentlicher Dienstleistungen gesehen.
Videokonferenz auf Ministerebene „Telekommunikation“
In
einer ersten Aussprache im Rat „Telekommunikation“ am 7. Dezember äußerten alle Delegationen Zustimmung. Vorsichtige Kritik wurde
eher am Rande geäußert. So wurde die Europäische Kommission wiederholt an die
internationalen Verpflichtungen der EU erinnert. Diese dürften wohl in der Tat
einem überzogenen europäischen „Datenprotektionismus“ entgegenstehen, der immer
wieder in dem Entwurf und seiner Begründung durchscheint. Allein schon die
Vorstellung europäischer, nach außen irgendwie abgeschirmter Datenräume, die
der EU einen „wettbewerblichen Vorteil“ verschaffen sollen, dürften kaum
vereinbar mit internationalem Handelsrecht sein, so Peter Altmaier. Ferner
wurde vorgetragen, durch eine Anonymisierung persönlicher Daten ließen sich
diese in „offene Daten“ umwandeln und dann nach den Regeln der „Open Data“ Richtlinie
an Dritte weiterleiten. Man könne doch die Dateninhaber (das wären zum Beispiel
auch Sozialversicherungsträger; der Verf.) in diese Richtung motivieren. Der
Hintergedanke dürfte wohl sein, sich durch diese Verfahrensweise die
Einwilligung des Datensubjekts zu „ersparen“. Schließlich wurde auch
kritisch nachgefragt, was genau sich hinter dem „Allgemeininteresse“ verbirgt,
welches die Tür zum „Datenaltruismus“ bzw. der „Datenspende“ öffnet. Abschließend wurde angedeutet, dass auch finanzielle Anreize zum „Data Sharing“
beitragen könnten.