Deutsche Ratspräsidentschaft 2020 - Bilanz aus Sicht der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

IF – 12/2020

Deutschland hat von Kroatien am 1. Juli 2020 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen – und somit auch die großen Herausforderungen, vor denen die Europäische Union in diesem Jahr stand. Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie haben europaweit soziale und gesundheitspolitische Fragen an Bedeutung gewonnen.    


Unter dem Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“ hat Deutschland sich zum Ziel gesetzt, während seiner Ratspräsidentschaft den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und sich dafür einzusetzen, dass Europa gestärkt aus der Krise hervorgeht. Zum 1. Januar 2021 wird der Vorsitz an Portugal weitergegeben.


Wie fällt die Bilanz wenige Tage nach dem letzten Europäischen Rat während der deutschen Präsidentschaft aus? Die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung sprach darüber mit Dr. Edlyn Höller, stv. Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Was waren Ihre politischen Erwartungen an den deutschen Ratsvorsitz? Inwieweit wurden diese aus Ihrer Sicht erfüllt?

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft war von der Corona-Pandemie geprägt. Trotz großer Herausforderungen ist es Deutschland gelungen, die Einigkeit und wechselseitige Solidarität zu wahren. Mit dem Wiederaufbaufond NextGenerationEU konnte ein entscheidender Schritt zur Unterstützung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in den Mitgliedstaaten erzielt werden, wovon auch die sozialen Sicherungssysteme profitieren werden.


Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind, für Wirtschaft und Gesellschaft. Daher sollte dem Arbeitsschutz im Sinne der Prävention auch nach der Pandemie ein gleich hohes Maß an Bedeutung beigemessen werden.


Zu den Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitnehmern und mobilen Arbeitskräften hat der Rat Impulse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes gesetzt und die Mitgliedstaaten an ihre Verantwortung für die Durchsetzung einschlägiger Vorschriften erinnert. Unabhängig von der Pandemie hat die deutsche Ratspräsidentschaft mit der Konferenz "STOP dem Krebs am Arbeitsplatz" im Sinne des erwarteten europäischen Plans zur Krebsbekämpfung ein wichtiges Thema des Arbeitsschutzes ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gebracht.

Welche Themen sind aus Ihrer Sicht zu kurz gekommen und hätten stärker vorangetrieben werden müssen?

Nach wie vor ungelöst sind die Probleme, die sich aus den Besonderheiten plattformbasierter Arbeit ergeben. Neben der Gewährleistung des Zugangs zum Sozialschutz für alle Erwerbstätigen hätte ich eine stärkere Thematisierung des Aspekts der Finanzierung durch solidarische Sozialschutzsysteme erwartet. Dass der zum Thema „Plattformarbeit“ vorgesehene Gipfel nicht stattfinden konnte, ist insofern bedauerlich, da auch die vor Kurzem getroffenen Schlussfolgerungen des Rates diesbezüglich keine Impulse enthielten.


Wünschenswert wäre auch eine Auseinandersetzung mit den Folgen des demografischen Wandels gewesen, die bei der Europäischen Kommission hoch auf der Agenda stehen. Diese werden sich auf die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme auswirken und an die Prävention, insbesondere um die Beschäftigungsfähigkeit vieler zu erhalten, neue Anforderungen stellen.

Was erwarten Sie von der portugiesischen Ratspräsidentschaft? Gibt es Themen, die aus Ihrer Sicht besonders in den Fokus gerückt werden sollen?

Ich freue mich, dass die portugiesische Ratspräsidentschaft das Vertrauen der Menschen in ein soziales Europa, das an die Solidarität, Konvergenz und Kohäsion anknüpft, stärken möchte. Die Europäischen Säule sozialer Rechte kann hierbei als Maßstab die soziale Dimension Europas und seine Reaktion auf die Krise stärken, um mit dem digitalen und demografischen Wandel Schritt zu halten. Ich bin gespannt, ob es Portugal mit dem im Mai 2021 geplanten Sozialgipfel in Porto gelingen wird, neue Impulse zu setzen. Das hochrangige Treffen wird Gelegenheit geben, den Dialog mit den Sozialpartnern und Bürgern zu fördern – ein angemessener Sozialschutz, auch bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, sollte hierbei im Mittelpunkt stehen.


Nicht vergessen sollten wir die Konferenz über die Zukunft Europas. Die geplante breite Debatte unter Einbeziehung der EU-Institutionen und -Bürger wird Einfluss auf die europäische Politik haben, die zunehmend unseren Alltag in Deutschland prägt.