Neue Formen der Arbeit
Flexibilität, Beschäftigungsstandards und Arbeitnehmerschutz in Einklang bringen.
SW – 01/2021
Die
Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen
(Eurofound) beleuchtet in ihrer Studie „New forms of employment: 2020 update“ verschiedene
atypische Formen der Beschäftigung, wie zum Beispiel IKT-basierte mobile Arbeit
oder Plattformarbeit. Für jede dieser „neuen“ Beschäftigungsformen
untersucht sie die politischen Rahmenbedingungen und die Inzidenz in den
Mitgliedstaaten der EU, in Norwegen und im Vereinigten Königreich und zeigt
die Chancen und Risiken auf. Sie knüpft damit an ihren Bericht „Neue Beschäftigungsformen“ aus dem Jahr 2015 an, in dem sie neue Trends auf
dem europäischen Arbeitsmarkt aufgezeigt hatte (beide Texte liegen nur in Englisch vor).
Verbreitung und Einflussfaktoren
Unbefristete
Vollzeit Standardbeschäftigung ist demnach in Europa nach wie vor
vorherrschend, die europäischen Arbeitsmärkte seien aber zunehmend durch eine
Vielzahl unterschiedlicher Beschäftigungsformen gekennzeichnet. Ein weiteres
Wachstum neuer Beschäftigungsformen wird aufgrund des doppelten Übergangs hin
zu einer digitalen Gesellschaft und einer klimaneutralen
Wirtschaft erwartet. Auch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beeinflussen
die Entwicklung neuer Beschäftigungsformen. Am Beispiel IKT-basierter mobiler
Arbeit lassen sich diese verschiedenen Trends, wie die Einschränkung der Mobilität
aufgrund der Pandemie, die „neue Normalität“, die zu einem Wechsel zwischen der
Arbeit von zu Hause und beim Arbeitgeber führt, die zunehmende Digitalisierung und
Überlegungen zum Klimawandel sowie gesellschaftliche Entwicklungen und
Präferenzen, beispielsweise im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie, verfolgen.
Fehlende Informationen
Nach Einschätzung von Eurofound fehlt es in Europa nach wie vor an Klarheit hinsichtlich der
Konzepte neuer Beschäftigungsformen. Verfügbare Daten und
Forschungsergebnisse seien nach wie vor knapp, Diskussionen über Chancen und
Risiken aus Sicht der Arbeitgeber selten. Die meisten Forschungsarbeiten und
politischen Debatten konzentrierten sich auf den Arbeitsmarkt und die
Arbeitsbedingungen sowie auf Fragen der Arbeitsplatzqualität für Arbeitnehmer. Auch
Informationen über die Auswirkungen der atypischen Beschäftigungsformen, u.a.
auf die Sozialversicherungssysteme, seien nur in geringen Umfang verfügbar.
Trotz
der in den letzten Jahren auf EU- und nationaler Ebene intensiv geführten
Diskussionen über die Zukunft der Arbeit fehle es in Europa, auch mit Blick auf
die Festlegung eines Regulierungsrahmens, nach wie vor an formalen Definitionen
und Klarheit hinsichtlich der Konzepte dieser Beschäftigungsformen. Ein
besseres Verständnis der jeweiligen Merkmale und Entwicklungen sei für eine
fundierte Politikgestaltung jedoch wichtiger als noch vor einigen Jahren.
Bedürfnis nach Flexibilität
Gemeinsam
sei allen neuen Beschäftigungsformen das Bedürfnis der Arbeitgeber bzw. Kunden,
der Arbeitnehmer oder beider Seiten nach Flexibilität. Die verschiedenen Formen seien
aber für beide Seiten nicht gleichermaßen vorteilhaft. Bei IKT-basierter mobiler
Arbeit, Mitarbeiter- und Jobsharing sehen die Forscher das größte Potenzial, zu
einem für beide Seiten vorteilhaften Ergebnis, da bei diesen Formen die Flexibilität
durch ein gutes Maß an Schutz der Beschäftigten im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen, ihre Vertretung und den Sozialschutz begleitet würden. Im Gegensatz dazu seien
die Bedingungen für z.B. Plattform- und Gelegenheitsarbeiter im Vergleich zur Standardbeschäftigung
schlechter.
Ausblick
Politischen
Entscheidungsträgern empfiehlt Eurofound sich darauf zu konzentrieren,
Flexibilität mit der Beibehaltung von Beschäftigungsstandards und dem Schutz
der Arbeitnehmer in Einklang zu bringen. Dies erfordere differenzierte und maßgeschneiderte
Interventionen, die die spezifischen Chancen und Herausforderungen der
einzelnen Beschäftigungsformen berücksichtigen. Häufig würden diese nur in aggregierter
Form betrachtet. Ein solcher einheitlicher Ansatz sei jedoch mit Blick auf die Vielfalt
neuer Beschäftigungsformen ineffektiv.
Interessant
dürfte in dieser Hinsicht der von der Europäischen Kommission in ihrem
Arbeitsprogramm für 2021 angekündigte Legislativakt sein, mit dem sie zur
Verbesserung der Arbeitsbedingungen von und einem angemessenen Sozialschutz für
Plattformarbeiter beitragen möchte. Eurofound sieht im Hinblick auf
Beschäftigungsformen mit besonders dynamischer Entwicklung, wie der Plattformarbeit,
legislative Initiativen allein nicht als zielführend an und schlägt eine Kombination
mit Maßnahmen, die sich schneller auswirken könnten vor, z.B. Initiativen der Sozialpartner.