Digitalisierung und inklusive Arbeitsmärkte
Die digitale Wirtschaft nach COVID-19 muss Menschen mit Behinderungen einbeziehen.
SW – 02/2021
Welche Chancen
und Risiken birgt die digitalisierte Arbeitswelt für die Inklusion von Menschen
mit Behinderungen? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um
sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird? Diesen und weiteren Fragen
der Auswirkungen einer digitalisierten Arbeitswelt auf Menschen mit Behinderungen
geht der Bericht „Eine inklusive digitale Wirtschaft für Menschen mit Behinderungen“ des Global
Businessnetworks der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und der
Fundación ONCE nach.
Der Bericht (liegt nur in Englisch vor) wurde im
Rahmen des Disability Hub Europe erstellt,
dessen Ziel die Förderung inklusiver und nachhaltiger Unternehmen in Europa bei
gleichzeitiger Förderung der sozialen und arbeitsrechtlichen Eingliederung von
Menschen mit Behinderungen ist.
Beschäftigungssituation
Ein
kleines Resümee zum Status quo zeigt, die Beschäftigungsquote von Menschen mit
Behinderungen ist im Vergleich zur Quote bei Menschen ohne Behinderung nach wie vor deutlich schlechter. Für die Altersgruppe von 20 bis 64 Jahren beträgt sie 50,8
Prozent gegenüber 75 Prozent für Menschen ohne Behinderungen (bezogen auf das Jahr 2018).
Frauen mit Behinderung sind häufiger noch stärker benachteiligt, ihre
Beschäftigungsquote beträgt lediglich 47,8 Prozent gegenüber 54,3 Prozent ihrer
männlichen Kollegen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass dies möglicherweise nicht
einmal die tatsächliche Beschäftigungssituation widerspiegelt, da viele
Menschen mit Behinderungen nicht als arbeitslos registriert sind. Durch die Corona-Krise
werden diese Ungleichheiten noch verstärkt. Menschen mit Behinderungen, die bereits
vor der Krise von Ausgrenzung aus der Beschäftigung betroffen waren, verlieren mit
größerer Wahrscheinlichkeit ihren Arbeitsplatz und haben größere
Schwierigkeiten bei der Rückkehr zur Arbeit.
Chancen und Barrieren einer digitalisierten Arbeitswelt
Einerseits
ermöglicht die Digitalisierung Menschen mit Behinderungen den "direkten" Zugang zur Beschäftigung über Online-Rekrutierungsplattformen. Digitale Hilfsmittel können
bei den täglichen Aufgaben am Arbeitsplatz
unterstützen. Neue digitale Arbeitsplätze bieten eine Reihe neuer
Beschäftigungsmöglichkeiten, die auch für Menschen mit Behinderungen
interessant sein können.
Digitale
Barrieren drohen andererseits, diese Möglichkeiten zu konterkarieren und bestehende
Ungleichheiten und Ausgrenzungen zu verschärfen, sofern ihnen nicht durch wirksame
und gezielte Initiativen entgegengewirkt wird. Dies beginnt bereits mit dem fehlenden
Zugang zu notwendiger Bildung und Ausbildung, um sich für neue digitale Stellen
zu qualifizieren. Auch im Hinblick auf Bewerbungen können Hindernisse
auftreten, zum Beispiel, weil Menschen mit Behinderungen sich häufiger Internet
und die notwendige Informations- und Kommunikationstechnologie nicht leisten
können und hierdurch gehindert sind, auf Online-Rekrutierungsprozesse oder
Rekrutierungsplattformen der Unternehmen zuzugreifen.
Der zunehmende Einsatz
Künstlicher Intelligenz in Rekrutierungsprozessen könnte zusätzliche Probleme für Menschen mit
Behinderungen in sich bergen, wie zum Beispiel die Analyse von
Gesichtsbewegungen und Stimme bei der Rekrutierung oder Persönlichkeitstests,
die Menschen mit Behinderungen überproportional aussortieren. Hindernisse
treten aber auch bei der digitalen Zusammenarbeit durch fehlende Barrierefreiheit
notwendiger digitaler Arbeitsmittel auf, wie zum Beispiel fehlende Untertitelsysteme
in der Zusammenarbeit mit Gehörlosen.
Förderung inklusiver digitaler Arbeitsmärkte
Der
Bericht hebt drei Haupthebel für die Schaffung inklusiver, digitaler Arbeitsmärkte
für Menschen mit Behinderungen hervor: die Gewährleistung der Zugänglichkeit
sowie die Förderung digitaler Kompetenzen und digitaler Beschäftigung. Die Gewährleistung der Zugänglichkeit und die Förderung
digitaler Kompetenzen seien der Schlüssel zur Einbeziehung von Menschen mit
Behinderungen in die Arbeitswelt.
Auch sei es wichtig sicherzustellen, dass die
Initiativen zur Förderung digitaler Beschäftigung Menschen mit
Behinderungen umfassen. In Maßnahmen des Wiederaufbaus nach der COVID-19-Pandemie
sollten Menschen mit Behinderungen in Initiativen zur Förderung digitaler Beschäftigung mit angemessenen Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden.
Im Hinblick auf die stagnierende Beschäftigungssituation wird interessant sein, welche Maßnahmen die für März erwartete neue EU-Strategie zugunsten
von Menschen mit Behinderungen 2021 – 2030 zur Verwirklichung inklusiver Arbeitsmärkte vorsehen wird.