Künftig auch reprotoxische Stoffe und gefährliche Arzneimittel einbezogen?

SW – 04/2021

Der zuständige Ausschuss „Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“ des Europäischen Parlamentes hat seine Position zur vierten Aktualisierung der Richtlinie 2004/37/EG zum Schutz von Arbeitnehmern gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene verabschiedet. Die Mitglieder des Ausschusses haben sich im März 2021 für strengere EU-Vorschriften ausgesprochen, um Arbeitnehmer besser vor der Exposition gegenüber Karzinogenen, Mutagenen und reprotoxischen Stoffen am Arbeitsplatz zu schützen. In ihrer Sitzung am 13. April 2021 haben sie beschlossen, Verhandlungen mit dem Rat aufzunehmen.

Die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag für eine vierte Änderung der Richtlinie zum Schutz vor Karzinogenen oder Mutagenen bei der Arbeit im September 2020 vorgelegt (siehe Bericht 10/2020). Im November verständigte sich der Rat auf seine Position für die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament (Text liegt nur in Englisch vor).

Änderung von Grenzwerten

Der Änderungsentwurf sieht neue, bzw. verringerte Grenzwerte für die Exposition gegenüber drei verschiedenen Stoffen am Arbeitsplatz vor. Es handelt sich dabei um neue Grenzwerte für Acrylnitril und Nickelverbindungen sowie eine weitere Verringerung des Grenzwertes für Benzol. Dies soll zum Schutz von einer Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beitragen und helfen, innerhalb der nächsten 60 Jahre mehr als 1700 Fälle berufsbedingter Erkrankungen zu verhindern.

Reprotoxische Stoffe

Die Abgeordneten stimmten auch dafür, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu erweitern und reprotoxische Stoffe einzubeziehen. Diese Stoffe können zu Beeinträchtigungen der Fortpflanzung, Fruchtbarkeit und Entwicklung führen. Nach Ansicht der Abgeordneten soll die Kommission bis Ende 2021 einen Aktionsplan vorzulegen, um Grenzwerte für eine Reihe von reprotoxischen Stoffen, wie zum Beispiel Blei, Bleiverbindungen und Quecksilber, zu erreichen.

Gefährliche Arzneimittel

Schließlich fordern die Abgeordneten, gefährlicher Arzneimittel in den Anwendungsbereich der Richtlinie aufzunehmen. Im Gesundheitswesen seien 12,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, davon 7,3 Millionen Pflegekräfte, potenziell gefährlichen Arzneimitteln am Arbeitsplatz ausgesetzt. Durch den Umgang mit diesen Arzneimitteln, ihre Zubereitung und ihre Verabreichung seien Angehörige der Gesundheitsberufe hohen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, sei dreimal so hoch. Die Kommission soll nach Vorstellung des Ausschusses bis März 2022 eine Begriffsbestimmung für „Gefährliche Arzneimittel“ ausarbeiten und eine Liste der Stoffe, Zubereitungen oder Verfahren, die unter den Begriff „Karzinogene“ fallen. Ferner soll sie Dezember 2022 Leitlinien und Praxisstandards für die Zubereitung, Verabreichung und Entsorgung von gefährlichen Arzneimitteln erstellen.

Hintergrund

Der Kampf gegen den Krebs bildet in der laufenden Amtsperiode einen Schwerpunkt der EU-Kommission. Krebs ist die häufigste arbeitsbedingte Todesursache in der EU, etwa 52 Prozent der jährlichen arbeitsbedingten Todesfälle sind auf Krebserkrankungen zurückzuführen. Die EU-Kommission hat daher im Rahmen ihres im Februar 2021 vorgelegten Europäischen Plans zur Bekämpfung von Krebs im Handlungsfeld „Prävention“ berufsbedingte Krebserkrankungen in einem eigenen Kapitel über die Verminderung von Schadstoff- und Strahlenbelastung aufgeführt.