Digitales Gesundheitswesen
In Griechenland gehört das eRezept mittlerweise zum Versorgungsalltag.
UM – 10/2021
Es brauchte einigen Vorlauf
Bereits im Jahr 2012 ist das elektronische Rezept in
Griechenland obligatorisch geworden. Dies galt aber nur für Ärzte. Die
Patientinnen und Patienten mussten weiterhin die Praxis aufsuchen, um sich ihr
Rezept ausdrucken, abstempeln und unterschreiben zu lassen. Widerstände von
Berufsgruppen, Datenschutzbedenken, Schnittstellenprobleme mit der
Krankenversicherung, nicht zuletzt die Trägheit des Systems haben bedingt,
dass das Projekt weitere acht Jahre brauchte, um im Versorgungsalltag
anzukommen.
Rückenwind durch Corona-Krise
Seit März 2020 erfolgen in Griechenland elektronische
Verordnungen in einem nennenswerten Umfang. Grundlage war ein Gesetz mit
Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung von COVID-19, das unter anderem die
Einführung der papierlosen Medikamentenverschreibung vorschrieb. Kurze Zeit
später wurde der technisch anspruchsvollere Übergang zu den papierlosen
Überweisungen für diagnostische Tests vollzogen. Die COVID-19-Pandemie hat hier
wie ein Katalysator gewirkt, urteilt die Weltgesundheitsorganisation WHO in
einer Publikation ihrer europäischen Regionalbüros („Greece
– Transforming primary health care during the pandemic“).
Das digitale Angebot ist freiwillig
Vor der Krise durften die digitalen Instrumente von den
Anbietern der medizinischen Grundversorgung lediglich punktuell bei
ausgewählten Fernkonsultationen eingesetzt werden. Im Zuge der pandemischen
Notlage sind jedoch die Vorschriften für
die Anwendung der Telemedizin gelockert worden. Im Sommer 2020 wurde die
Entscheidung, ob ein persönlicher Besuch von chronisch kranken Patienten und
Patientinnen erforderlich ist, ganz in das Ermessen des Arztes gestellt. Die Ausstellung
von Nachfolgerezepten ohne persönliche Konsultation wurde offiziell erlaubt. Die
Patientinnen und Patienten können den Service nutzen, müssen es aber nicht.
Die Pandemie hat die Motive verändert
Initial für die Einführung der elektronischen Instrumente
war im Jahr 2012 zunächst die Überzeugung, über ein elektronisches Monitoring
der ärztlichen Verschreibungspraxis im staatlichen Gesundheitswesen Griechenlands
Kosten zu sparen. Dies geschah unter dem Eindruck der Finanzkrise von 2010 und
eines enormen Haushaltsdefizits. 2020 und unter dem Eindruck der Corona-Krise ging es
darum, unnötige Kontakte zu reduzieren. Der elektronische Weg wurde obligatorisch.
Einfach ist er auch. Mit jeder elektronischen Verordnung bzw. Überweisung
erhält der Patient einen Code und kann damit das Arzneimittel bzw. die
Überweisung abrufen. Apotheker und Laboratorien erhalten den Zugang über eine
Online-Plattform.
Die elektronischen Dienste werden gut angenommen
Das Projekt brauchte seine Zeit, ist aber ein großer Erfolg
in einem Gesundheitssystem, das in den vergangenen Jahren eher durch Unterfinanzierung,
Intransparenz und Schattenwirtschaft von sich reden machte. Vom Start im März
2020 bis Juli 2021 nutzten knapp 2,4 Millionen Versicherte in Griechenland die
elektronischen Instrumente. Der Anteil papierloser Rezepte und Überweisungen
betrug im Sommermonat Juli rund ein Drittel an der Gesamtzahl.
eRezepte sind keine Seltenheit mehr …
In anderen Mitgliedstaaten ist das eRezept schon etwas länger
etabliert, so zum Beispiel in Kroatien, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland,
Litauen, Norwegen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Schweden, Spanien und den
Niederlanden. Deutschland steckt mitten im Einführungsprozess und beschränkt die
Anwendung gegenwärtig auf eine Testregion in Berlin/Brandenburg.
... grenzüberschreitend aber noch die Ausnahme
Grenzüberschreitend sind eRezepte erst sehr vereinzelt verwendbar.
Auch Griechenland ist Teilnehmer der freiwilligen Infrastruktur für elektronische
grenzüberschreitende Gesundheitsdienste (eHDSI). Die eHealth-Infrastruktur
ermöglicht, neben eRezepten auch elektronische Patientenkurzakten auszutauschen,
so zum Beispiel bei Reisen ins EU-Ausland. Beide Dienste sollen bis 2025 schrittweise
eingeführt werden. Bislang nehmen erst sieben Länder aktiv teil. Am Austausch
von eRezepten sind lediglich vier Mitgliedstaaten beteiligt. Griechenland
gehört noch nicht dazu. Den Startschuss gaben im Januar 2019 Finnland und
Estland mit dem grenzüberschreitenden Austausch des elektronischen Rezepts (weitere Informationen dazu siehe
hier).