Abgeordnete legen nach
Das Europäische Parlament hat sein Verhandlungsmandat für die sich im Trilog befindliche Verordnung über grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen geschärft.
UM – 11/2021
In seiner Sitzung am 5. Oktober kam eine große Mehrheit der Parlamentarierinnen
und Parlamentarier zu dem Schluss, dass die Funktionsweise der neuen EU-Behörde
für Notfallvorsorge und -reaktion im Gesundheitswesen (HERA) besser mit den europäischen
Regelungen über grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen abgestimmt sein
müsse. Das wundert nicht, sind doch viele Abgeordnete vom Vorschlag der
Europäischen Kommission vom 14. September zur HERA enttäuscht.
Bei HERA haben andere das Sagen
Das neue Mandat ist eine Antwort auf die für viele
überraschende Entscheidung der Europäischen Kommission, HERA nicht wie
angekündigt als eigenständige Krisenbehörde zu etablieren, sondern nur eine
Verwaltungseinheit unter dem Dach der Generaldirektion Gesundheit zu bilden
(siehe hierzu auch News
September 2021). Und dies zudem auf der Rechtsbasis der Artikel 122 Absatz
1 AEUV, der die maßgebliche Entscheidungskompetenz damit dem Rat gibt. Das
Parlament hat – außer mittelbar bei der Freigabe von Mitteln aus den relevanten
Förderprogrammen – keine Mitbestimmungsrechte.
Demokratiedefizit heilen
Eine ganze Reihe von Abgeordneten hatte in den vergangenen
Wochen Bedenken hinsichtlich der Einrichtung und der Funktionsweise von HERA geäußert.
Daher hatte der ENVI-Ausschuss sein Verhandlungsmandat zum Dossier
"schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren" aktualisiert,
indem zusätzliche, gezielte Änderungsanträge eingebracht worden sind. In der
Parlamentsaussprache hob Dr. Peter Liese (EPP) ausdrücklich hervor, dass zumindest
seine Fraktion nicht dauerhaft mit dem Demokratiedefizit leben wolle, das mit
dem vorliegenden Vorschlag entstanden sei. Grundsätzlich sei man aber für HERA.
Man brauche auch HERA, um insbesondere die Zusammenarbeit zwischen privaten
Unternehmen und öffentlichen Institutionen systematisch zu fördern. Das Biotechnologieunternehmen
Biontech aus Mainz sei hierfür ein gutes Vorbild.
Verträge offenlegen
Das Parlament fordert nun unter anderem Transparenz über alle
öffentlichen Investitionen in Forschung, Entwicklung, Herstellung, Produktion,
Beschaffung, Bevorratung, Lieferung und Vertrieb von medizinischen
Gegenmaßnahmen. Bei gemeinsamen Beschaffungen habe die Kommission die Verträge
und Vereinbarungen rechtzeitig öffentlich zugänglich zu machen.
Parlament einbeziehen
Daneben wird eine enge Zusammenarbeit zwischen dem HERA-Vorstand,
dem Gesundheitssicherheitsausschuss (HSC), dem Krisenmechanismus des Rates
sowie allen relevanten Agenturen und Einrichtungen der Union. Doppelarbeit müsse
vermieden, eine kohärente Entscheidungsfindung auf EU-Ebene gewährleistet
werden. Eine Vertreterin oder ein Vertreter des EP solle ebenfalls am Tische
Platz nehmen.
Behörde weiterentwickeln
Bis 2023 soll die Arbeit von HERA gründlich überprüft
werden; danach alle zwei Jahre. Die Kontrolle soll auch mit Blick daraufhin
erfolgen, HERA doch noch zu einer eigenständigen Agentur aufzuwerten. Ein neuer
Legislativvorschlag könne dann die wichtige Rolle des Parlaments als in vollem
Umfang berücksichtigen.
Der geänderte
Text wurde mit 479 Ja-Stimmen, 71 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen
angenommen. Die Verhandlungen können jetzt mit dem Ziel eines baldigen Abschlusses
wieder aufgenommen werden.