Halbzeit in der aktuellen Legislaturperiode
Gerangel um Posten des Parlamentspräsidenten.
IF – 12/2021
Nachdem der Fraktionsführer der Christdemokraten im Europäischen Parlament, Manfred
Weber (EVP/DE), nach der Europawahl 2019 nicht Chef der Europäischen Kommission wurde,
gab es einen politischen Deal als Wiedergutmachung.
Platzt die Vereinbarung?
Da das Spitzenkandidatenprinzip nicht eingehalten wurde, bekam
Ursula von der Leyen den Posten als Präsidentin der Europäischen Kommission. Danach
haben sich die zwei stimmenstärksten Parteien, Sozialdemokraten (S&D) und
Christdemokraten (EVP) darauf geeinigt, dass Manfred Weber ab der Hälfe der Legislaturperiode auf dem Chefsessel des
Europäischen Parlaments Platz nehmen darf.
Trotzdem ist jetzt zwischen den beiden großen Fraktionen, Christdemokraten (EVP) und
Sozialdemokraten (S&D), eine Debatte ausgebrochen, wer nun tatsächlich zum Zug kommen soll. Bis November war eigentlich immer vereinbart, dass der amtierende Chef
des Europäischen Parlaments, David Sassoli (S&D/IT) zur Halbzeit der Legislaturperiode Anfang 2022 an Manfred Weber übergibt.
Weber winkt ab – Personalkarussell dreht sich
Weber sagte bereits seit einigen Wochen, nicht ganz unerwartet, dass er den
Posten des Parlamentspräsidenten eigentlich gar nicht haben möchte. Dies rief
nun wiederum Sassoli auf den Plan, trotz des Deals aus dem Jahr 2019, Parlamentspräsident
zu bleiben.
Anfang Dezember teilte er seiner Fraktion mit, dass er bei der Wahl in der Januar-Plenarsitzung kandidieren wolle.
Er argumentierte, dass die Sozialdemokraten
bei nationalen Wahlen
in einigen Ländern, vor allem auch in
Deutschland, Zugewinne verzeichnen konnten. Es wäre ein Fehler vor den Europawahlen im Mai 2024 auf das Amt kampflos zu verzichten, meinte Sassoli.
Fraktionsübergreifender Streit
In der EVP war man nicht gerade
begeistert, dass sich die Sozialdemokraten nicht an den Deal halten wollen. Man
versuchte somit auch eigene Kandidaten zu motivieren. Drei Abgeordnete lassen sich für den Kampf
um den Posten aufstellen. Mit der Maltesin und Vizepräsidentin
Roberta Metsola geht eine von zwei Frauen ins Rennen, die schon als voraussichtliche fraktionsinterne Siegerin gilt. Weiterhin
möchte Vizepräsident Othmar
Karas, Langzeitabgeordneter aus Österreich als auch die Niederländerin Esther de
Lange kandidieren. Eine Kampfabstimmung
im Januar ist nicht
ausgeschlossen.
Sozial- und gesundheitspolitisch aktiv sind nur die beiden Frauen, Metsola
ist stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) und de Lange ist
Vollmitglied. Die beiden männlichen Bewerber sind kaum durch sozial- oder gesundheitspolitische
Aktivitäten aufgefallen. Eigene Akzente könnte aber jede Bewerberin oder jeder
Bewerber in den Bewerbungsreden durchaus setzen. Die Hauptaufgabe des Postens ist die allgemeine Repräsentanz
des Europäischen Parlaments nach außen, somit können politische Aktivitäten
durchaus in den Vordergrund gestellt und beworben werden.