Vorschlag der Kommission zur Verordnung lässt noch auf sich warten.

UM – 04/2022

Wäre es nach Plan gegangen, würden seit dem 5. April die Köpfe in Brüssel – und nicht nur dort – über einem Papierberg gebeugt sein. An diesem Tag wollte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) öffentlich machen. Das erfolgte nicht. Diskutiert wird weiterhin eine im März geleakte Fassung. Und das ist nicht unbedingt hilfreich.

Größere Änderungen werden erwartet

Unmissverständlich kommen Ratschläge von politischen Beobachtern und Insidern, man möge sich nicht allzu intensiv mit der umlaufenden geleakten Fassung beschäftigen. Nicht nur dies weist darauf hin, dass die in der Europäischen Kommission gehegten Pläne nennenswerten Diskussionsbedarf aufweisen. Auch die Verschiebung der Veröffentlichung lässt vermuten, dass die Arbeitsebenen in der Kommission noch größere inhaltliche Umbaumaßnahmen vorzunehmen haben.

Der EHDS ist Mammut-Aufgabe

Der EHDS soll die Zusammenführung und grenzüberschreitende Nutzung von Gesundheitsdaten verbessern. Versicherte sollen digital auf eigene Behandlungsdaten zugreifen und über deren – auch grenzüberschreitende – Verwendung entscheiden können (Primärnutzung). Gesundheitsdaten sollen außerdem für die Forschung und die Entwicklung von Innovationen besser nutzbar gemacht werden (Sekundärnutzung). Neben der Schaffung von Infrastrukturen, Schnittstellen und gemeinsamen Standards, müssen die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission sowie Fragen zur Datenverwendung, -aufbereitung und -nutzung geregelt werden.

Subsidiarität beachten

Die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung – und damit auch das Thema eHealth – fällt nach Artikel 168 Absatz 7 AEUV in die Verantwortung der Mitgliedstaaten. Auch beim EHDS wird ein Dreh- und Angelpunkt sein, wie weit die Europäische Kommission praktischen Einfluss nehmen kann. Allein der Umstand, dass der EHDS als unmittelbar geltende Verordnung aufgelegt werden soll, löst Diskussionen aus.

Daneben wirft der Umstand Fragen auf, dass die bislang freiwillige digitale eHealth-Dienstinfrastruktur MyHealth@EU verpflichtend wird und gemäß der umlaufenden Entwurfsfassung die Kommunikation zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission im eHealth-Netzwerk ablösen soll. Das betrifft nicht nur die politische Rolle, die die Mitgliedstaaten in dem künftigen Netzwerk hätten. Es bezieht sich auch darauf, ob dies im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung steht und wer am Ende für die Einhaltung datenschutzrechtlicher Auflagen sowie die Kontrolle der grenzüberschreitenden elektronischen Infrastruktur und ihrer Prozesse verantwortlich ist.

Anfang Mai ist man schlauer

Ungeachtet der offenen Fragen sind die Ziele des europäischen Gesundheitsdatenraums zu unterstützen (siehe auch Stellungnahme der DSV vom 27. Januar 2021). Ein gemeinsamer Datenraum birgt große Chancen – sowohl für die grenzüberschreitende medizinische Versorgung, aber auch für die Nutzung von Gesundheitsdaten für die wissenschaftliche Forschung.  

Am Beispiel der seltenen Erkrankung wird dies besonders deutlich. Denn hier geht die wissenschaftliche Entwicklung hoher medizinischer Expertise mit entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten der Betroffenen Hand in Hand – Gesundheitsdaten sind hierfür unabdingbar. Es ist im Sinne aller Beteiligten, dass die Europäische Kommission mit einem praktikablen und politisch akzeptablen Vorschlag für einen EHDS aufwartet. Ein Aufschlag wird nunmehr Anfang Mai erwartet.