Deliveroo wegen Scheinselbstständigkeit seiner Kuriere verurteilt
Pariser Gericht verurteilt Plattform wegen systematischer Verheimlichung des Arbeitnehmerstatus
VS – 05/2022
Das Tribunal Judiciaire de Paris hat am 19. April eine Geldstrafe in Höhe von
375.000 Euro gegen Deliveroo verhängt, weil die digitale Arbeitsplattform ihre Kuriere
nicht als Angestellte, sondern als Selbstständige eingestellt hat. Deliveroo
erwägt, Berufung einzulegen.
Feststellung des Beschäftigungsstatus
Seit Jahren
steht in den Mitgliedsstaaten der EU die Frage nach dem Beschäftigungsstatus von
Plattformbeschäftigen im Mittelpunkt juristischer Auseinandersetzungen. Dabei werden
die Plattformen verdächtigt, ihr Wirtschaftsmodell auf Scheinselbstständigkeit
aufzubauen, um Kostenvorteile zu erzielen, etwa durch den Wegfall von
Sozialversicherungsbeiträgen, Urlaubs- und Krankengeld sowie Beiträgen zur
Unfallversicherung. Dem wird oft entgegnet, dass die Plattformbeschäftigten die
Chancen einer selbstständigen Beschäftigung für eine flexiblere
Beschäftigungsgestaltung freiwillig anstreben und so über größere Freiheiten
bei ihrem unternehmerischen Handeln verfügen.
In Paris
sind nun die Beschäftigungsverhältnisse bei Deliveroo für den Zeitraum von April
2015 bis Dezember 2017 verhandelt worden. Nach Auffassung des Gerichts hat
Deliveroo die Arbeitsvorschriften bewusst instrumentalisiert und missbraucht,
um systematisch das Angestelltenverhältnis seiner Kuriere zu umgehen.
Das Gericht hat gegen die Plattform das maximale Strafmaß in Höhe von 375.000
Euro verhängt. Darüber hinaus wurde gegen die beiden ehemaligen Spitzenmanager der
Plattform eine zwölfmonatige Haftstrafe auf Bewährung ausgesprochen. Zusätzlich
wurden beide zu einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro verurteilt und mit
einem fünfjährigen Verbot belegt, ein Unternehmen zu leiten.
Divergierende Rechtsprechung – eine Frage, die ganz Europa beschäftigt
So deutlich
der Richterspruch in Frankreich auch ausgefallen ist, so unterschiedlich zeigt
sich die Rechtsprechung in Europa. So hat das Arbeitsgericht in Brüssel in
einem ähnlichen Verfahren am 8. Dezember 2021 entschieden, dass Deliveroo-Kuriere
nicht als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, sondern als Selbstständige anzusehen
sind.
Auch
aufgrund der zum Teil widersprüchlichen Entscheidungen zum Beschäftigungsstatus
von Plattformbeschäftigten hat die Europäische Kommission am 9. Dezember 2021
einen Richtlinienvorschlag zur Plattformbeschäftigung vorgelegt, in dem
Regelungen für die Festlegung des Beschäftigungsstatus formuliert werden. Ziel
des Richtlinienvorschlages ist es u.a., den Zugang zu Sozial- und Arbeitsschutz
von Plattformbeschäftigten sicherzustellen. Die Deutsche Sozialversicherung hat
hierzu im Konsultationsverfahren bereits Stellung genommen. Die Stellungnahme der DSV finden sie hier.