Sozialversicherung fit für den Klimawandel

VS – 06/2022

Der französische Senat hat am 6. April 2022 einen Bericht für eine ökologische Sozialversicherung im 21. Jahrhundert vorgelegt. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und vermehrter Umweltrisiken, die zunehmend auch die Sozialversicherung betreffen, will der Senat mit dem vorgelegten Bericht eine gesellschaftliche Debatte über eine Neuausrichtung der Sozialversicherung und der Beschäftigungspolitik anstoßen.

Ziel ist, die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung in die Lage zu versetzen, die sozialen und gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Der Senat formulierte hierzu 48 Vorschläge, die vier Handlungsfeldern zugeordnet sind.

1. Entwicklung langfristiger Strategien statt Reparaturbetrieb

Laut Senat liegt bisher der Schwerpunkt in der französischen Gesundheitspolitik auf der Heilung von Krankheiten. Für Prävention werden dagegen nur drei Prozent des Budgets aufgewendet. Um den Einzelnen in Zukunft besser zu schützen, müssen hingegen Maßnahmen für eine gesunde Lebensführung, zur Prävention, zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sowie für eine frühzeitige Rehabilitation deutlich an Bedeutung gewinnen. Ziel müsse sein, frühzeitig Gesundheitsrisiken zu reduzieren sowie die langfristige Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten.

2. Neuausrichtung der Finanzierung der Sozialversicherung – Einrichtung eines Umweltfonds?

Die Anforderungen des Klimawandels an ein nachhaltiges Wirtschaften und der notwendige Schutz der natürlichen Ressourcen stellen aus Sicht des Senats das Dogma vom stetigen Wirtschaftswachstum infrage. Dies betrifft auch die Einnahmeseite der Sozialversicherung. Dagegen steht die Ausgabenseite vor zusätzlichen Herausforderungen. Aufgrund des Klimawandels muss die Sozialversicherung zusätzliche Risiken auffangen. Darüber hinaus bedarf es eines ergänzenden sozialen Ausgleichs für die besonders betroffenen einkommensschwachen Haushalte. Hierfür müssen zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Um unter diesen Voraussetzungen die finanzielle Tragfähigkeit der Sozialversicherung langfristig zu sichern, führt der Senat die Bildung eines Umweltfonds analog dem auf EU-Ebene vorgesehenen Klimasozialfonds an.

Diskutiert wurde auch die Einrichtung eines eigenständigen Sozialversicherungsstrangs, der die Mittel eines solchen Umweltfonds verwalten soll. Hintergrund dieser Überlegung ist, dass sichergestellt werden soll, dass die zusätzlichen Mittel zielgerichtet für die durch den Klimawandel ausgelösten sozialen Herausforderungen eingesetzt werden und dies für die Bürgerinnen und Bürger transparent nachvollziehbar ist.

3. Wandel der Arbeitswelt antizipieren und im System integrieren

Der Klimawandel wird zu deutlichen Veränderungen am Arbeitsmarkt führen. Branchen und damit verbundene Berufe werden an Bedeutung verlieren oder ganz verschwinden. Andere Branchen werden expandieren und neue Berufsfelder entstehen. Der Senat schätzt, dass hiervon in Frankreich 3,8 Millionen Beschäftige betroffen sein werden. Diese müssen umfassend begleitet werden sowie Umschulungs- und Weiterbildungsangebote erhalten. Gemeinsam mit den Sozialpartnern gilt es, neue an die klimatischen Veränderungen angepasste Beschäftigungsformen zu entwickeln.

4. Recht auf gesunde Ernährung

Die Ernährung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit. Dabei besteht bei gesunder Ernährung ein ausgeprägtes soziales Gefälle. Für den Senat bedarf es daher vielfacher Anstrengungen, um die Sensibilität der Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhöhen, aber auch um einkommensschwachen Haushalten eine qualitativ hochwertige Ernährung zu ermöglichen. Darüber hinaus soll die Landwirtschaft fair für hochwertige Produkte entlohnt werden.

Wie geht es weiter:

Die Wahlkämpfe um das Amt des Staatspräsidenten als auch zur französischen Nationalversammlung haben gezeigt, dass Reformen der verschiedenen Sozialversicherungszweige ein zentrales Thema der nächsten Legislaturperiode werden. Mit dem vorliegenden Bericht hat der Senat den Fokus um die mit dem Klimawandel einher gehenden langfristigen Herausforderungen erweitert.

Den Bericht des französischen Senats finden Sie hier.