Zukunft der EU: mit oder ohne Vertragsänderungen?
Europaabgeordnete fordern Anpassung der EU-Verträge
IF – 06/2022
Die am 9. Mai
2021 gestartete Konferenz zur Zukunft Europas war einzigartig und bot Politikerinnen
und Politikern Gelegenheit, mit den EU-Bürgerinnen und -bürgern darüber zu
diskutieren, wie die Europäische Union in Zukunft arbeiten, sich weiterentwickeln
und verbessern soll.
Nachdem ein
Ergebnisbericht (siehe News
05/2022) mit über 300 Empfehlungen in einer feierlichen Zeremonie an die EU-Kommission,
das EU-Parlament und den Rat der Europäischen Union übergeben wurde, war nicht
klar wie es genau weitergehen soll. Die Fülle an Bürgerwünschen, welche in
Bürgerforen erarbeitet wurden, musste nun ernst genommen werden. Sicher ist, dass
zunächst alle drei Institutionen an einen Tisch kommen müssen, denn die
Empfehlungen der Bürgerinnen und Bürger können weder ignoriert noch ohne Konsequenzen
bleiben.
Änderung der Verträge - das Herz der Europäischen Union
Momentan finden
noch keine offiziellen Verhandlungen zwischen dem Rat, der Kommission und dem Parlament
statt. Doch der Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments erarbeitete binnen
kürzester Zeit einen Bericht mit konkreten Vorschlägen zu möglichen Änderungen
der EU-Verträge.
Zunächst hatten
sich die Europaabgeordneten im Vorfeld mit nationalen Abgeordneten in einer
Interparlamentarischen Konferenz ausgetauscht, wie man genau mit den Ergebnissen
der Bürgerdialoge umgehen möchte. Der Meinungsaustausch über diese ersten
Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas war ein wichtiger Schritt, um die
Parlamentarier und die Mitgliedstaaten zueinander zu führen, damit es zu keinen
Missinterpretationen kommen kann.
Der Bericht Proposals of the European Parliament for the amendment of the Treaties wurde
Anfang Juni in der Plenarsitzung abgestimmt. Für das Follow up der Konferenz
zur Zukunft Europas war dies ausschlaggebend. In dem verhandelten Bericht sind Abgeordnete
aller Fraktionen bis auf die rechtsnationale ID-Fraktion als
Ko-Berichterstatter involviert gewesen.
Formulierte
Forderungen sind der Übergang zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit
anstatt des Einstimmigkeitsprinzips, die tatsächliche Umsetzung der Säule
sozialer Rechte und nicht näher definierte aber geforderte Anpassungen übertragener
Zuständigkeiten in den Verträgen der Union. Insbesondere in den für die Sozialversicherung wesentlichen Bereichen
der Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftspolitik.
Auffällig ist, dass federführend Gabriele Bischoff (S&D), Daniel Freund (Die Grünen)
und Helmut Scholz (Die Linke), somit gleich drei deutsche Europaabgeordnete,
den Bericht verfasst haben. Es wird sicherlich zu langwierigen Verhandlungen
zwischen den restlichen politischen Parteien und dem sozialdemokratisch
geführten Deutschland kommen. Tschechien übernimmt von Frankreich ab 1. Juli
den Vorsitz im Rat und wird dementsprechend das Thema im 2. Halbjahr steuern
müssen.