Uber-Akten im Europäischen Parlament
Soziale Absicherung von Plattformarbeitenden
VS – 11/2022
Das Europäische Parlament hat Ende Oktober den ehemaligen Chef-Lobbyisten
von Uber, Mark MacGann, angehört. Bereits im Sommer hatte die britische Zeitung
The Guardian im Zusammenarbeit mit dem International Consortium of
Investigative Journalists tausende von ihm offengelegte Dokumente ausgewertet
und veröffentlicht – die sogenannten Uber-Files. Diese belegen für den Zeitraum
von 2013 bis 2017 die Lobbypraktiken von Uber.
Die Uber-Files
legen nahe, dass der Konzern gezielt Spitzenpolitikerinnen und -politiker in
Europa umworben hat, um seine Marktmacht zu stärken. Die Arbeitsrechte der
Beschäftigten wurden dabei bewusst missachtet. So haben auf EU-Ebene die
Uber-Files ein Ermittlungsverfahren des europäischen Amts für Betrugsbekämpfung
(OLAF) gegen die ehemalige EU-Vize-Kommissionspräsidentin Neelie Kroes
ausgelöst.
Anhörung mit Blick auf Richtlinienvorschlag zur Plattformarbeit
Neue Beschäftigungsformen auf digitalen Arbeitsplattformen haben in den vergangenen
Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Digitale Arbeitsplattformen werden als Beschäftigungsmodell
mit viel Innovationskraft und arbeitsplatzschaffendes Potenzial angesehen.
Gleichzeitig wirft dieses Beschäftigungsmodell neue Fragen zum Arbeits- und
Sozialschutz auf, z.B. zur Abgrenzung von Selbstständigkeit und abhängiger
Beschäftigung sowie zum algorithmischen Management von Daten der
Plattformmitarbeitenden. Diese
Aspekte stehen auch im Mittelpunkt des Richtlinienentwurfs zur Verbesserung
der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit, der am 9. Dezember 2021 von
der Europäischen Kommission vorgelegt wurde.
Während der Diskussion
des Richtlinienentwurfs in Rat und Europäischem Parlament sind im Juli die
Uber-Files veröffentlicht worden. Der federführende Ausschuss für Beschäftigung
und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments hat daher im Oktober
den Whistleblower und ehemaligen Chef-Lobbyisten von Uber angehört.
Whistleblower: Plattformbeschäftigte sind als abhängig Beschäftigte einzustufen
Gegenüber den Mitgliedern des Europäischen
Parlaments sagte MacGann, Uber habe die Welt über die Vorteile der Gig Economy
in die Irre geführt. Dabei habe das Unternehmen gezielte Anstrengungen
unternommen, damit Uber-Fahrerinnen und Fahrer nicht als Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer eingestuft werden. Auch habe Uber Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler dafür bezahlt, Erkenntnisse zu verzerren, um die Position von
Uber zum Beschäftigungsstatus der Plattformmitarbeitenden zu stützen. In der Anhörung forderte MacGann
das Parlament auf, Uber-Fahrerinnen und Fahrer sowie andere Plattformbeschäftigte
besser zu schützen. Denn es bestehe ein deutliches Machtungleichgewicht
zwischen den Plattformbeschäftigten und der digitalen Arbeitsplattform.
Der Kommissar für
Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, hob die Wichtigkeit der
Ausführungen von MacGann hervor und betonte die Bedeutung des
Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission zur Plattformarbeit. Dabei
äußerte Schmit die Befürchtung, dass die Diskussionen im Rat die im
Kommissionsvorschlag enthaltene widerlegbare Vermutung zur Feststellung des
Beschäftigungsstatus verwässern könnten. Ziel des Richtlinienvorschlags sei
nicht, das neue Wirtschaftsmodell der digitalen Arbeitsplattformen zu verhindern.
Sondern vielmehr soll der Sozialschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleistet
und gleichzeitig die Entwicklung neuer Technologien ermöglicht werden.
Parlamentarier und Kommissar Schmit betonen Bedeutung der Ausführungen von MacGann
In der Anhörung
erklärte die Berichterstatterin Elisabetta Gualmini (S&D), dass die
Uber-Files und die Ausführungen MacGanns die Bedeutung der beiden zentralen
Problemstellungen ihres Berichts unterstreichen: den Kampf gegen
scheinselbstständige Plattformarbeitende und die Intransparenz der
Plattformalgorithmen. Der Schattenberichterstatter Dennis Radtke (EVP) dankte MacGann
und kritisierte die Missachtung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch
Unternehmen wie Uber. Ebenso bezeichnete die Schattenberichterstatterin Lucia Ďuriš Nicholsonová (Renew), das durch die Uber-Files
belegte Unternehmerverhalten von Uber als inakzeptabel.
So geht es weiter
In den letzten
Wochen hatten sich die Fraktionen des Europäischen Parlaments bei strittigen
Fragen zur Statusfeststellung des Beschäftigungsverhältnisses von
Plattformarbeitenden aufeinander zubewegt, wenn auch noch keinen Kompromiss
erzielt. Auch im Rat gehen die Diskussionen weiter. Die tschechische Ratspräsidentschaft
will im Dezember dem Rat einen Kompromisstext vorgelegen, ob dies gelingen wird, ist derzeit noch unklar.