Plattformbasierte Fahrdienstleister und Gewerkschaften vereinbaren Mindestentgelt pro Fahrt

VS – 01/2023

Plattformbasierte Fahrdienstleister wie Uber, Bolt, Heetch oder Free Now haben mit den Fahrergewerkschaften in Frankreich ein Mindestentgelt von 7,65 Euro pro Fahrt vereinbart. Die Vereinbarung ist das Ergebnis der im Oktober 2022 begonnenen Tarifverhandlungen. Das Mindestentgelt ist dabei auch aus Sicht der Plattformbetreiber attraktiv. Laut Uber soll die Vereinbarung zu verringerten Wartezeiten bei kurzen Fahrten führen, da infolge des Mindestentgelts Fahrerinnen und Fahrer kurze Fahrten seltener ablehnen würden.

Französische Regierung initiiert sozialen Dialog für Plattformbeschäftigte

Die Vereinbarung ist Ergebnis eines Rahmengesetzes (Loi d’orientation des mobilités, kurz: LOM) vom Dezember 2019, das der Regierung ermöglicht, per Verordnung Regelungen für Plattformbeschäftige zu treffen, ohne diese zu abhängigen Beschäftigten zu machen. Die Abgrenzung von selbstständiger Arbeit und abhängigen Beschäftigten ist deshalb wichtig, da letztere einen besseren Sozialschutz haben.

Sozialer Dialog

Im Mai 2022 waren die von digitalen Arbeitsplattformen beschäftigten Fahrerinnen und Fahrer sowie Zustellerinnen und Zusteller aufgerufen, ihre Gewerkschaftsvertretung zu wählen. Deren Aufgabe ist, in einem von der französischen Regierung initiierten „sozialen Dialog“ mit Plattformbetreibern über eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Die Wahlbeteiligung lag bei 3,9 Prozent für die Fahrdienste und 1,8 Prozent für die Zusteller.




Algorithmisches Management

Nicht alle an der Verhandlung beteiligten Vertreterinnen und Vertreter der Plattformbeschäftigten haben die Vereinbarung unterzeichnet. Kritisiert wird eine unzureichende Definition von Fahrt. Die 7,65 Euro sind eine Mindestleistung für eine Kurzstrecke bis drei Kilometer. Die Fahrzeit wird dabei nicht berücksichtigt.

Die Hauptkritik am Verhandlungsergebnis zielt jedoch auf das bisherige Ausklammern der Fragen um das algorithmische Management und um die Abmeldung von Fahrerkonten durch die Plattformbetreiber. Die Abmeldung erfolgt oft ohne Vorwarnung. Auch sind die Algorithmen für die Zuteilung der Fahrten für die Fahrerinnen und Fahrer nicht nachvollziehbar. Die Plattformbeschäftigten können somit nur sehr eingeschränkt selbst über die Annahme von Fahrten entscheiden. Diese Freiheit ist jedoch ein wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit. Fragen um das algorithmische Management sollen nun im Mittelpunkt der neuen Verhandlungsrunde stehen.

Hoffnung Europa: EU-Richtlinie Plattformarbeit

Gewerkschaften, die dem bisherigen Verhandlungsergebnis kritisch gegenüberstehen, hoffen, dass diese Probleme durch die Verabschiedung der EU-Richtlinie über Plattformarbeit gelöst werden. Die Richtlinie, die sich auf die Beschäftigten digitaler Arbeitsplattformen bezieht, durchläuft derzeit das EU-Gesetzgebungsverfahren. Mit der Richtlinie soll ein EU-weit gültiger Rahmen für den Zugang zum Sozialschutz und zu den Arbeitsrechten von Plattformbeschäftigten geschaffen werden. Das Europäische Parlament wird nach aktuellem Stand seine Position zu dem Kommissionsvorschlag am 2. Februar annehmen.