Europäischer Gesundheitsdatenraum – Ein Zwischenstand
Berichterstatter im Europäischen Parlament legen Berichtsentwurf vor
CC – 03/2023
Im Mai ist der Verordnungsentwurf zum Europäischen
Gesundheitsdatenraum (EHDS) ein Jahr im europäischen Gesetzgebungsverfahren.
Das Dossier ist neben der anstehenden Arzneimittelrevision eine Priorität der
Europäischen Kommission. Die Suche nach einer einheitlichen Position im
Europäischen Parlament und im Rat dauern an – Zeit, für
einen (ersten) Zwischenstand.
Europäisches Parlament
Die im Europäischen Parlament zuständigen Berichterstatter
Tomislav Sokol (EVP/Kroatien) und Annalisa Tardino (ID/Italien) haben ihren Berichtsentwurf zum EHDS im Februar vorgelegt. Zentrale Vorschläge sind unter anderem die
Einführung eines Opt-Outs bei der Weiterverwendung von Gesundheitsdaten für
sekundäre Zwecke, die Einführung einer verpflichtenden Datenspeicherung in der
Europäischen Union sowie mehr Teilnahme und Mitbestimmung von Stakeholdern im
EHDS-Board. In der politischen Diskussion zum Berichtsentwurf nimmt die vorgeschlagene
Opt-Out Regelung in der Sekundärdatennutzung, der Schutz von Rechten am geistigen
Eigentum und die Besetzung des EHDS-Ausschusses durch die Industrie großen Raum
ein.
Nachschärfungen am Berichtsentwurf notwendig
Die DSV bringt ihre Positionen aus der DSV-Stellungnahme weiter ein. Der Berichtsentwurf enthält Vorschläge, die aus Sicht der DSV in die
richtige Richtung gehen, allerdings muss an einigen Stellen noch nachgebessert
werden. Unter anderem fehlt die Ausrichtung der Datennutzung ans Gemeinwohl
durch eine Sicherstellung eines Public Return on Investment und die Regelung,
dass keine Daten aus Wellness-Anwendungen in die EHR inkludiert werden, sondern
Daten aus zertifizierten Gesundheitsanwendungen. Kein Regelungsbedarf wird aus
rechtssystematischen Gründen für Telemedizin gesehen. Vorgesehen werden muss
dagegen eine Beteiligung der Sozialversicherungsträger im EHDS-Board. Es muss zudem
aus Sicht der DSV sichergestellt werden, dass national zugelassene EHR-Systeme
auch nach Inkrafttreten der Verordnung weiterverwendet werden dürfen. Die neuen
vorgesehenen Regelungen zu klinischen Studien und der Ausnahme von
Micro-Unternehmen bei der Registrierung von Patientendaten lehnt die DSV ab.
Rat der Europäischen Union
Aus dem Rat sind wie üblich leisere Töne zu hören. Die
Ratsarbeitsgruppe Gesundheit tagt regelmäßig und diskutiert intensiv zu dem
Dossier. Die Kompromisssuche dauert an. Bislang wurden bereits drei Kompromissvorschläge
zu verschiedenen Kapiteln vom Ratsvorsitz vorgelegt. Einige Änderungsvorschläge
des schwedischen Ratsvorsitzes decken sich mit wichtigen DSV-Forderungen, so z.B.
dass die Mitgliedstaaten mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Delegierten- und
Durchführungsrechtsakten erhalten sollen.
Angemessener Zeit- und Regulierungsrahmen – auch für Verhandlungen
Der politische Druck laufende Gesetzgebungsverfahren noch
vor der Europawahl im kommenden Mai abschließen zu können, nimmt zu. Im
Europäischen Parlament soll der Berichtsentwurf noch im Juni von den zuständigen
Ausschüssen für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
(ENVI) sowie für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) verabschiedet
und im September vom Plenum angenommen werden. Dann hätte das Europäische
Parlament ein Mandat, für die Trilogverhandlungen. Im Rat wird der schwedische
Ratsvorsitz die Beratungen zu einer allgemeinen Ausrichtung weiterführen und
voraussichtlich in der nächsten Sitzung des Rats für Beschäftigung, Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) am 13. Juni einen Fortschrittsbericht
vorlegen.
Nach der Sommerpause möchten die Spanier, die ab Juli den
EU-Ratsvorsitz innehaben, einen allgemeinen Standpunkt verabschieden. Ob dies
gelingen wird, ist derzeit noch nicht sicher. Erst nach Verabschiedung eines
allgemeinen Standpunkts können die Trilogverhandlungen beginnen. Es bleibt
abzuwarten, ob so ein komplexes und wichtiges Dossier nicht nur in der politischen
Umsetzung, sondern auch in den politischen Verhandlungen mit entsprechender
Sorgfalt und einem realistischen Zeit- und Regulierungsrahmen verhandelt werden
kann.