Voucher in der Arzneimittelrevision – kostspielig und ineffizient
Europäische Kommission plant Anreizsystem für Antibiotika
CC – 03/2023
Mit Spannung wird der offizielle Vorschlag zur
Arzneimittelrevision der Europäischen Kommission erwartet. Eigentlich sollte er
Ende März veröffentlicht werden, aber die Europäische Kommission hat den Termin
verschoben. In ersten Arbeitsentwürfen zur Arzneimittelrevision wurde deutlich,
dass die Europäische Kommission unter anderem die Entwicklung von neuen
Antibiotika, die für die Behandlung von Infektionen durch multiresistente
bakterielle Krankheitserreger benötigt werden, angehen möchte (siehe News
2/2023).
Was sind Voucher?
Um Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika zu setzen,
plant die Europäische Kommission, übertragbare Exklusivitätsgutscheine (auch
Voucher oder TEEV – Transferable Exclusivity Extension Voucher) einzuführen.
Der Entwickler bzw. Zulassungsinhaber des neuen Antibiotikums kann ihn einmalig
auf ein Arzneimittel seiner Wahl anwenden, welches eine zentrale Marktzulassung
hat. Der Voucher verlängert dann unter bestimmten Bedingungen dessen
Datenschutzfrist um ein Jahr. Er kann auch an ein anderes Pharmaunternehmen
verkauft werden. So sieht es zumindest in der Theorie aus.
Voucher sind kostspielig und ineffizient
Ungeachtet des beabsichtigten vermeintlich restriktiven
Anwendungsrahmens lehnt die Deutsche Sozialversicherung (DSV) in ihrem Statement das neue Gutscheinsystem ab. Soll, wie von der Europäischen Kommission
beabsichtigt, ein System geschaffen werden, das Arzneimittel für die
Gesundheitssysteme erschwinglich hält und gleichzeitig Innovationen belohnt,
ist ein Gutscheinsystem mit Vouchern kontraproduktiv. Hierfür gibt es drei
Gründe:
Hohe Kosten
Voucher sind unverhältnismäßig teuer, da Hersteller sie
nach den aktuellen Plänen der Europäischen Kommission auf ein beliebiges und
demnach möglichst umsatzstarkes Arzneimittel ihrer Wahl anwenden könnten, das
die genannten Bedingungen erfüllt. Das schließt zum Beispiel profitable
Blockbuster mit jährlichen Umsätzen von mehr als einer Milliarde Euro mit ein. Verlängerte
Schutzfristen hemmen dabei die Entwicklung von erschwinglicheren Wettbewerbsprodukten
und verzögern deren Marktzugang von Generika.
Keine Sicherstellung des Zugangs zu Antibiotika
Mit einer Marktzulassung
allein ist ein Antibiotikum noch nicht auf dem Markt verfügbar. Das Vorhaben
der Europäische Kommission garantiert daher nicht, dass Patientinnen und
Patienten bei Inanspruchnahme des Vouchers auch wirklich Zugang zu dem neu
entwickelten Antibiotikum erhalten. Es muss sichergestellt werden, dass
dringend benötigte neue Antibiotika in allen Mitgliedstaaten zur Verfügung
stehen und alle Patientinnen und Patienten davon profitieren können.
Alternative Anreizmechanismen
Es gibt alternative
Vorschläge für Anreizsysteme, die das Problem der mangelnden Investitionen in
die Entwicklung von neuen Antibiotika besser beheben könnten. Beispielhaft sind
hier Markteinführungsprämien zu nennen, die unabhängig von verordneten Mengen
gezahlt werden und bei denen somit der Ertrag bzw. die Zahlung vom Umsatz
entkoppelt ist. Es gibt zudem die Möglichkeit der direkten
Entwicklungsförderung in Form von Meilensteinprämien oder die Einrichtung von
Forschungsförderungsfonds durch sogenannte Play-or-Pay Mechanismen. Zur
Diskussion stehen auch eine europaweite jährliche Einnahmegarantie, der Abkauf
von Patenten bzw. Produktionslizenzen oder die Kompensation von Forschungs- und
Entwicklungsaufwänden.
Prävention im Fokus
Neben all den zu
diskutierenden Anreizen darf neben der Entwicklung neuer Antibiotika die
Notwendigkeit präventiver Maßnahmen nie aus dem Fokus geraten, die insbesondere
sicherstellen, dass Antibiotika und insbesondere Reserveantibiotika
zurückhaltend und indikationsgerecht eingesetzt werden.